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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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vorhergesehen! Er hat es vorhergesehen, und ich wollte nicht auf ihn hören. Und was wird das Ende sein? Gefängnis, Ketten und der Galgen oder die Galeere. Und ich? Was werde ich ohne ihn beginnen? Wo ist Frankreich! Wo sind die Niederlande?«
Er sah den Waldstein mit einem zornigen Blick an und rief:
»Da muß einer ja von Stein und Marmor sein, wenn er dabei kein Mitleid fühlt.«
»Ich habe mit all dem nichts zu schaffen«, erklärte der Waldstein.
»Ganz so sicher fühlt Ihr Euch aber nicht«, meinte der Leitnizer, »sonst hättet Ihr die Nacht nicht außer Haus verbracht. Und Ihr tatet recht daran, denn man hat mir sicherlich nachgespürt und gesehen, daß ich etliche Male bei Euch war. Ich mache mich davon, lasse mich in Prag nicht mehr sehen, und Euch rat' ich, sucht Euch rasch ein anderes Quartier.«
»Das hab' ich schon getan«, sagte der Waldstein.
    Am gleichen Tag erhielt Johannes Kepler ein Schreiben des Herrn Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, in dem dieser ihm »den schuldigen Dank für empfangenen großgünstigen Bescheid« zum Ausdruck brachte. Die Venus, hieß es in dem Schreiben weiter, müsse aber auch schon in der vergangenen Nacht im Bereich des Wagens gestanden sein, denn er, der »dienstwilligst und gehorsamst Unterzeichnete« habe in eben dieser Nacht seine Sache aufs rühmlichste gewonnen.
    Dem Brief war ein versiegelter Beutel mit fünf ungarischen Dukaten beigelegt.
Johannes Kepler ging mit dem Beutel in die Kammer, in der seine kranke Frau lag. Er setzte sich an den Rand ihres Bettes, flößte ihr mit einem Löffelchen Arznei ein und wischte ihr die Schweißtropfen von der Stirn.
»Du weißt«, erklärte er ihr, »und ich hab' es dir gesagt, daß die Astrologie, die von der Menge der Urteilslosen so hoch gepriesen wird, die schlechte und entartete Tochter der erhabenen Sternenkunde ist. Ich liebe sie nicht. Aber wie manches verlorene Kind ernährt auch sie mit ihren Reizen die arme Mutter, deren keiner sonst gedenkt.«
Und er legte die fünf Dukaten auf das Bett der Kranken.
    »Ein Hund, der bellte, und ein Hahn, der krähte, die haben das Glück des Wallenstein begründet«, sagte mein Hauslehrer, der stud. med. Meisl, als er mir an einem regnerischen und nebligen Novembertag diese Geschichte erzählte, statt mich in die Mysterien des Rechnens mit Sinus und Cosinus einzuführen. »Davon wirst du freilich in deinem Gymnasium nichts gehört haben, denn dort trichtert man euch nur Jahreszahlen ein. Ich will, Gott behüte, nichts Schlechtes auf ihn sagen, aber er war ein guter Rechner, im Krieg wie in der Liebe, der Wallenstein, und darum habe ich meinen Zweifel, ob damals wirklich nur die Venus im Bereich des Wagens gestanden ist. Denn, - erinnere dich daran, was ich dir von der Lucrezia von Landeck gleich zu Anfang erzählt habe: daß sie eine der reichsten Erbinnen im Königreich Böhmen war. Sie ist früh gestorben. Ihr Reichtum aber hat den Wallenstein in den Stand gesetzt, zwei Dragonerregimenter aufzustellen, als der Krieg gegen Venedig ausbrach, und sie dem Kaiser zuzuführen. Und das war der Beginn seines steilen Aufstiegs, dem dann ein Hellebardenstoß in Eger ein Ende gesetzt hat.«
    Der stud. med. Meisl stopfte sich seine lange Studentenpfeife, deren Porzellankopf das Bild Voltaires zeigte, mit irgendeinem billigen Produkt der k. u. k. Tabakregie. Dann fuhr er fort:
    »Johannes Kepler, der so tief in die Gesetze des Weltalls blickte, hat sich sicherlich nicht geirrt. Die Venus herrschte in jener Nacht im Bereich des Wagens. Aber mir will es scheinen, als wäre noch ein anderer, ein kleiner, unscheinbarer Stern ganz in der Nähe gestanden, - der wahre Stern des Wallenstein: der Merkur. Und wenn du auch ein schlechter Lateiner bist und nicht einmal eine leichte Stelle aus dem Ovid anständig übersetzen kannst, das weißt du doch, daß bei den Alten Merkur der Gott des Geldes war.«
    Der Maler Brabanzio
    Es gab in Prag einen Maler, von dem der Nachwelt nur wenig überliefert ist, er hieß Vojtech oder Adalbert Brabenec, doch er hörte es nicht ungern, wenn man ihn mit Signor Brabanzio ansprach. Man konnte ihn freilich eher einen Landstreicher und Vaganten nennen als einen Maler. Er pflegte alljährlich die böhmischen und österreichischen Länder, Ungarn und die Lombardei zu durchwandern, doch nahm er nur selten bei einem guten Meister Arbeit an, blieb auch nirgends lange, er hatte nämlich seine eigenen Anschauungen über die Malkunst und wollte sich den Weisungen des

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