Nachts unter der steinernen Bruecke
diesem Park war Stille, nichts regte sich, nur der Wind fuhr klagend durch die entlaubten Baumkronen und bisweilen hörte man aus der Ferne den Ruf und das leise Hämmern eines Spechts.
Der Park und das Lustschloß gehörten der Lucrezia von Landeck, einer jungen Witwe, die als eine der reichsten Erbinnen im ganzen Königreich galt. Man erzählte von ihr, daß sich viele Kavaliere und große Herren um ihre Hand beworben hätten, aber alle habe sie abgewiesen, sie wolle, so sagte man, unvermählt bleiben, um ihren Reichtum ungeteilt der Kirche hinterlassen zu können. Denn sie war eine von den Frommen. Es hieß, daß sie alle Tage in der Loretokirche die Messe höre und immer ein Evangelienbüchlein bei sich trage, um, wo sie auch sei, Gottes Wort vor Augen zu haben. An den Zerstreuungen, die die große Stadt bot, hatte sie wenig Anteil, in der Hofgesellschaft ließ sie sich fast niemals blicken. Sie pflog Umgang mit einem Domherrn von St. Veit, der ihr Anverwandter war, mit zwei ältlichen Fräulein vom adeligen Damenstift auf dem Hradschin und mit einem Jesuitenpater von St. Salvator.
Oft stand der Albrecht von Waldstein am Fenster und blickte auf den Park hinüber, er wußte selbst nicht, warum er dies tat. Manchmal schlich sich die Schwermut in sein Herz, und er mußte an sein vom Vater ererbtes Gütlein denken, das in seinen Knabenjahren wegen angehäufter Schuldenlast unter den Hammer gekommen war. Einmal hatte er die Lucrezia von Landeck gesehen, wie sie mit einem Gärtnerburschen sprach, der den Arm voll frisch geschnittener Rosen hatte. Sie schien ihm von nicht gar hohem Wuchs, doch von zierlichem Gliederbau zu sein, ihre Züge hatte er nicht zu erkennen vermocht. Nachher beschlich ihn ein Zweifel, ob er wirklich die Lucrezia von Landeck gesehen habe. Es konnte auch eines ihrer Kammerfräulein gewesen sein.
So lebte der Albrecht von Waldstein mit dem Blick auf die Hölle und auf das Paradies bis zu dem Tage, an dem der Leitnizer in seine Dachkammer trat.
Der Leitnizer hatte sich einen Plan zurechtgelegt, wie er mit seiner Sache am besten an den Waldstein herankäme, und er begann damit, daß er den Barvitius, seinen »Patron«, aufs höchste rühmte: Was der für ein seltener Mann sei, wie jederman bei Hofe ihn achte, wie alle Türen ihm offenständen, wie er seinen Einfluß jederzeit zum Vorteil seiner Freunde zu verwenden wisse und wie sehr es dem Waldstein anzuraten sei, dieses Mannes Bekanntschaft zu suchen.
»Und wer ist der Herr, von dem Ihr da sprecht?« erkundigte sich der Waldstein. »Bekleidet er eine Stelle bei Hof? Oder in der Verwaltung des Königreichs?«
Der Leitnizer machte eine abwehrende Geste. »Davon später«, bedeutete er dem Waldstein. »Aber soviel kann ich Euch sagen: Er ist sein eigener Herr. Für den Augenblick tut sein Name nichts zur Sache. Wir nennen ihn nie anders als den Patron. Ich spreche da von einigen meiner Freunde, die sich auch seinem Dienst gewidmet haben. Und um Euch gleich alles zu sagen: Ich habe mit ihm schon über Euch gesprochen, hab' es ihm beigebracht, daß Ihr und kein anderer der Mann seid, der ihm in seiner Sache behilflich sein könnte.«
»Und was ist das für eine Sache?« fragte der Waldstein.
»Davon später«, meinte der Leitnizer. »Aber soviel kann ich Euch vielleicht schon jetzt sagen, daß es sich um eine Aktion handelt, die die böhmische Hofpartei gegen die spanische unternimmt, weil nämlich das Haupt der spanischen Partei...«
»Ich dank' Euch, mir taugt das nicht. Mit Hofintrigen und Sachen der Staatspolitik will ich nichts zu schaffen haben«, schnitt ihm der Waldstein das Wort ab, denn er dachte an seine Zukunft und wollte sich keine der bei Hof um Einfluß ringenden Parteien, weder die spanische, noch die böhmische, noch die der österreichischen Erzherzoge, zum Feinde machen.
Der Leitnizer erkannte sogleich, welchen Fehler er da begangen hatte, und beeilte sich, ihn wieder gut zu machen.
»Eine staatspolitische Sache ist es just eben nicht«, versicherte er dem Waldstein. »Es ist vielleicht zu früh, davon zu reden, aber glaubt mir, der Mann, der aus seinem Haus geholt und an einen sicheren Ort gebracht werden soll, hat mit der Hof- und Staatspolitik so wenig zu tun wie die Hühner dort unten im Garten.«
»Wer soll aus seinem Haus geholt und an einen sicheren Ort gebracht werden?« fragte der Waldstein. »Das will mir auch nicht recht gefallen, was Ihr da sagt.«
»Es gibt Dinge, die vielleicht nicht gut klingen, wenn man sie sagt,
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