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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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Meile noch, da ist die Prager Neustadt,
    und wenn du kommst zum Neustädter Tor da steht ein steinerner Ochse davor.
Eins, zwei, muh!
Der Ochse, der bist du!«
    »Schweig still, Lucrezia!« sagte der junge Waldstein. »Laß die Possen! Ich habe keine lange Fahrt, und ich komme auch nicht zum Neustädter Tor.«
    Sie hob den Kopf und sah den Waldstein aus erschreckten Augen an. Ihre Verwirrung verbarg sich hinter einem Lachen.
    »Wie hast du mich genannt?« fragte sie. »Was hast du dir für einen neuen Namen für mich ausgedacht? Erst Patron und jetzt, — wie sagtest du?«
    »Ach geh!« rief der Waldstein. »Vom ersten Augenblick an hab' ich gewußt, wer du bist. Nein, Lucrezia, Liebste, ich hab' nicht Lust, nochmals zwei Stunden lang in deiner Kutsche zu sitzen. Ich lauf durch den Garten, spring' über den Zaun und bin daheim.«
    Die Lucrezia von Landeck seufzte, sah ihn an, seufzte wiederum und nahm die seidene Maske ab. Ein schmales, blasses, erschrockenes Gesicht mit großen Augen und langen Wimpern kam zum Vorschein, ein spitzes Näschen und ein eigenwillig geformter Mund. Um ihre Lippen zuckte es.
    »Ach Liebster!« klagte sie. »Was hast du angerichtet. Was hast du nur getan! O Jammer, jetzt ist es aus mit dir, du mußt sterben und ich werd' mein Leben lang keinen guten Tag mehr haben.«
    Sie richtete sich auf und ging zu einem Spind, das an der Wand stand, suchte eine Weile darin, und als sie zurückkam, hatte sie ein Terzerol in den Händen, das hielt sie auf den Waldstein gerichtet.
    »Sieh her!« sagte sie. »Ich hab' oft daran gedacht und mir's vorgestellt und ausgemalt, wie einer, der auf mein Geheimnis kam', das Haus nicht lebend verlassen dürfe, wie er himmelhoch um sein Leben bittet, aber es ist keine Gnade für ihn. Sich's auszumalen ist nicht schwer, aber wenn's dazu kommt, — ich kann ja mit diesem Ding nicht umgehen, weiß nicht einmal recht, wie man's anfaßt, ich hab' ja nicht die Kriegswissenschaften studiert.«
    »Soll ich dir's zeigen, wie man damit umgeht?« schlug ihr der Waldstein vor. »Es ist nicht schwer. Erst das Zündkraut aufgelegt, gib aber acht, daß es dir der Wind nicht fortweht.«
    Sie legte das Terzerol aus der Hand und sah den Waldstein mit einem hilflosen Blick an.
»Was soll ich tun?« klagte sie. »Rat mir, Liebster, was soll ich tun?«
»Ich hätte dir nie begegnen dürfen, Lucrezia«, sagte der junge Waldstein. »Nun aberist's um michgeschehen,undich muß dich lieben, solange ein lebendiger Hauch in mir ist.«
In ihrem Gesicht leuchtete es auf, als hätte sie auf diese Worte gewartet.
»Ja, es gibt nur diesen einen Weg«, erklärte sie mit fester Stimme. »Als mein Gatte wirst du schweigen und meine Ehre bis zum Tode behüten. An Stand und Herkunft sind wir einander gleich, kennen einander auch, wie Frau und Mann einander kennen. Ist's dir lieb so? Der Kaplan und zwei Zeugen sind bei der Hand.«
»Ja, mir ist's lieb so, wie sollt's mir nicht lieb sein! Her mit dem Kaplan und her mit den Zeugen!« rief der junge Waldstein so laut, daß die Lucrezia erschrocken zusammenfuhr.
»Still!« flüsterte sie und legte die Finger an die Lippen. »Mach nicht Lärm. Vergiß nicht, daß du mit einer Dame im Bett liegst, die noch nicht deine Frau ist. Willst du denn, daß die ganze Stadt dazugelaufen kommt?«
Als der Waldstein am nächsten Morgen nach vollzogener Ehe in seine Dachkammer zurückkehrte, fand er dort den Leitnizer, der stand in einem Winkel und wartete auf ihn. Er sah zum Erbarmen aus, müde und verstört. Er mußte die Nacht auf einem Heuboden verbracht haben, denn in seinen Haaren, in seinen Schuhen und in seinen zerdrückten Kleidern staken Strohhalme.
»Wo seid Ihr gestern geblieben?« rief er, sowie der Waldstein die Türe hinter sich geschlossen hatte. »Ihr habt nicht hier geschlafen? Hat man Euch gewarnt?«
»Gewarnt? Wovor?« fragte der Waldstein.
Der Leitnizer schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.
»Man hat ihn verhaftet!« jammerte er. »Hört Ihr? Man hat ihn verhaftet! Ich wartete auf Euch, zwei Stunden lang hab' ich gewartet. Ihr kamt nicht und ich ging zurück, um es dem Patron zu melden, und wie ich hinkam, sah ich, daß sie das Haus umstellt hatten, und sie führten den Barvitius hinaus mit Ketten an den Füßen, die Hände hatten sie ihm auf dem Rücken gebunden.«
»Den Barvitius? Wer ist das?« fragte, ohne sonderlichen Anteil an der Sache zu nehmen, der Waldstein.
»Der Patron!« stöhnte der Leitnizer. »Und er hat es

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