Nachts unter der steinernen Bruecke
der Maler. »Und ich weiß auch nicht, warum Ihr Euch den Bart habt kürzen lassen. So wie er gestern war, stand er Euch besser. Geht jetzt, geht, ich habe keine Zeit mehr für Euch.«
Und er schob den Flößer, der immer wieder stehen blieb in der Hoffnung, doch noch wenigstens ein Stückchen seines Sonntagsrocks auf das Bild zu bekommen, Schritt um Schritt zur Türe und hinaus.
Der Kaiser hatte sich neben dem Kohlenbecken niedergelassen und wärmte sich die Hände. Jetzt wandte er sich an den Flickschneider.
»Ein Magenübel, sagt Ihr? Und die Ärzte wissen Euch keinen Rat? Denkt nach, ob Ihr nicht irgendeinmal für die Erlösung eines Verdammten gebetet habt.«
»Ich? Für wen?« fragte der Flickschneider und rückte seine Brille zurecht.
»Der heilige Gregor«, erklärte ihm der Kaiser, »hat einmal in großer Inbrunst für die Seele des Heidenkaisers Trajan, dessen Bildnis er auf einem Marmorsarkophag gesehen hatte und der ihm auch mehrmals im Traum erschienen war, gebetet, daß sie aus der Verdammnis erlöst werde. Sein Gebet wurde erhört, aber er mußte dafür ein Magenübel in Kauf nehmen, an dem er sein ganzes Leben hindurch zu leiden hatte.«
»Bei Euch ist's wohl auch nicht richtig dort oben«, meinte der Flickschneider, und er deutete mit seiner Stopfnadel auf des Kaisers Stirne.
Der Kaiser schwieg. Sein Blick war auf ein kleines, in Wasserfarben gemaltes Bild gefallen, das an der Wand befestigt war. Es stellte eben jenes Gärtchen vor, durch das der Kaiser kurz zuvor gegangen war, ohne ihm einen Blick zu schenken. Nicht viel anderes war auf dem Bild zu sehen als ein Schlehdornbusch und ein entlaubter Baum mit dünnem Geäste, eine Schneepfütze und die Latten eines Zauns, aber über all dem lag ein Zauber, der mit Worten nicht auszudrücken war, — winterliche Schwermut und Vorahnung des Frühlings oder vielleicht auch nur jene Anmut, die bisweilen der Armseligkeit und der Unscheinbarkeit zu eigen ist.
Es war das Werk eines großen Meisters, und das erkannte der Kaiser, und es war ihm klar, daß er das Bild besitzen und daß es in der Kunstkammer neben den Werken anderer Meister den Platz linden müsse, der ihm zukam, und im Geiste sah er es schon neben einer Landschaft des Lukas van Valkenborch hängen, die er über alles liebte. Zugleich aber fiel ihm ein, daß er es unterlassen hatte, sich mit Geld zu versehen, als er in dem Rock eines Schreibers mit dem Cervenka die Burg verließ. Das war verdrießlich. — Tut nichts, tut nichts, sagte er sich zum Trost. Morgen in der Früh' schick' ich den Cervenka, geb' ihm zwei, drei Gulden oder vier, er ist recht geschickt, der Cervenka, weiß mit Leuten zu reden, ein Allerweltsbescheißer, das ist der Cervenka, er wird das rare Werk um geringes Geld an sich bringen, kauft immer wohlfeil ein.
Dann aber erwog er einen anderen Plan, wie er zu dem Bild und auch noch zu anderen schönen Werken dieses Malers gelangen könnte.
»Das ist gute Arbeit und schön anzusehen«, bemerkte er und wies auf das Bild.
»Das dort? Das mit der Kotlacken?« verwunderte sich der Schneider und rückte seine Brille zurecht.
»Ihr solltet damit«, wandte sich der Kaiser jetzt an den Maler, »hinauf in die Burg gehen, daß man's dort oben weiß, was Ihr in Eurer Kunst vermögt.«
»Ich dank' Euch für den Rat«, sagte der Maler, der eben dabei war, seinen Rötelstift und seine Kreiden zu spitzen. »Wär's ein Gulden, ich steckte ihn ein.«
»Ihr solltet«, fuhr der Kaiser unbeirrt fort, »versuchen, ob nicht für Euch die Stelle eines kaiserlichen Hofdieners zu erlangen war'.«
»Ich will nicht so hoch hinaus, bin zufrieden mit meinem Stand«, erklärte der Maler.
»Daran könnt Ihr den Umfang seines Geistes erkennen«, rief der Flickschneider erzürnt. »Ein sicheres Auskommen, daran liegt ihm nichts. Er will sich, sagt er, den rauhen Wind um die Nase wehen lassen. Wenn er nicht just bei mir ist, hat er oft nicht ein Stücklein Brot.«
»Hab' ich nicht Brot, eß' ich die Butter trocken«, tröstete sich der Maler und fuhr fort, seine Kreiden zu spitzen.
»Seine Majestät«, sagte der Kaiser, und bei diesem Wort erhob er sich ein wenig von seinem Stuhl, »wird Euch für Eure rare Arbeit sicherlich alle Gunst und Affection erweisen.«
»Und mir das Salarium schuldig bleiben«, meinte der Maler, »wie dem Miseroni, kaiserlichem Hofdiener und Steinschneider, der in seinem Hause nichts mehr hat, von dem er sagen könnte, es wäre sein. Ja, mit der Hand zum Beutel in der Tasche, das ist bei
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