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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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Meisters nicht fügen. Auch sonst war er von unruhiger Gemütsart, er führte, wo immer er sich befand, rebellische Reden gegen die Obrigkeit und bezeigte allen Personen von Stand und Ansehen, ja auch solchen Leuten, die nur anständig gekleidet waren, seine Mißachtung. So trieb er sich denn zumeist in Bauemschenken, in Hafenkneipen und in verrufenen Häusern herum, wo man auf seine aufrüherischen Reden gerne hörte und auch seine Fähigkeit, mit wenigen Strichen die Gesichter seiner Zechkumpane festzuhalten, zu schätzen wußte. Er sah, auch wenn er nicht betrunken war, ja selbst an Sonntagen so aus wie einer, den man soeben aus dem Rinnstein aufgelesen hatte, und sein Gesicht zeigte die Spuren überstandener Raufhändel, denn er und seine Gesellen hatten, wenn es Streit gab, das Messer immer gleich bei der Hand.
    Wenn er für einige Zeit der Händel und des Wanderlebens müde geworden war, kehrte er nach Prag zurück, in zerrissenen Schuhen, ohne Hemd, ohne einen Kreuzer in der Tasche, ja bisweilen sogar ohne sein Malgerät. Er ließ sich dann in der Werkstätte seines Bruders nieder, der am Moldauufer, unweit des Agnesklosters, das Gewerbe eines Flickschneiders ausübte. Sie liebten einander, aber sie kamen nur schlecht miteinander aus. Den Flickschneider verdroß es, daß sein Bruder nicht die ehrbaren Leute malte und auch nicht die Muttergottes und die lieben Heiligen, sondern immer nur geringes Volk und liederliches Gesindel: Betrunkene Soldaten, Zigeuner, Hundefänger, Taschendiebe, die Wäscherinnen vom Moldauufer mit ihren Körben, Quacksalber, Zahnbrecher, Musikanten, allerlei Gestalten aus den Gassen des Ghettos und die Höckerweiber, die auf dem Kleinen Ringplatz ihre selbstgefertigten Pflaumenmuskuchen feilhielten. Auch nahm er ihm übel, daß er mit dem Geld, das ihm seine Pinseleien bisweilen einbrachten, nicht hauszuhalten wußte. Denn — wie das Sprichwort sagt — ein Narr und seine Groschen bleiben nicht einen Tag lang beieinander.
    Nun waren aber einige dieser Bildchen, flüchtige Skizzen und Entwürfe, in die Hände solcher Leute gelangt, die etwas von der Malerei verstanden oder zu verstehen vorgaben. Und eines von ihnen, das einen bärtigen und etwas schiefgewachsenen Kapuzinermönch darstellte, der einen erbeuteten oder erbettelten Käselaib mit verliebten Augen betrachtete, war dem Römischen Kaiser zu Gesicht gekommen.
    Kaiser Rudolf II. war in jenen Zeiten aufs eifrigste darauf bedacht, seine Kunst- und Raritätenkammer zu bereichern, und das Geld, dessen er dazu bedurfte, scharrte er aus allen Ecken und Enden zusammen, so daß die Hofkammer viel Mühe hatte, seine Schulden zu bezahlen. Mit den Staatsgeschäften befaßte er sich in jenen Tagen nur wenig. Er liebte die Künste, er lebte nur für sie. Und wenn er auch die Wahl des Gegenstandes dieser Darstellung vom Standpunkt der Kirche aus mißbilligte, so erschien es ihm doch merkwürdig, ja beinahe unglaublich, daß unter seinen Böhmen, die in der Malerei so wenig Gutes hervorgebracht hatten, daß in einem schmutzigen Winkel der Alt

Stadt ein Maler leben sollte, der hinter keinem der italienischen oder der niederländischen Meister seiner Zeit zurückstand.
    -Damals verließ der Kaiser noch bisweilen die Prager Burg, er lebte noch nicht in ständiger Furcht vor den Mordanschlägen seines Bruders Matthias und anderer ihm feindlich gesinnter Personen. Und so trat er eines Morgens in der Tracht eines öffentlichen Schreibers, in ausgetretenen Schuhen also und schäbigem Rock, zwei Kielfedern und ein Tintenfaß im Gürtel und um den Hals eine Kette, an der ein Medaillon mit dem Bildnis der heiligen Katharina befestigt war, die die Schutzpatronin aller Schreiber ist, — in dieser Verkleidung also trat er aus einem Seitenpförtchen des Hirschgrabens und ließ sich von seinem Kammerdiener Cervenka durch enge und menschenleere Gassen und über den Fluß bis vor das Haus »Zur Baßgeige« geleiten, in dessen Hintertrakt der Flickschneider und der Maler ihre Werkstätte hatten.
    Es war ein Tag im Februar und ein kalter Regenschauer war soeben niedergegangen. Fröstelnd verabschiedete der Kaiser den Cervenka. Er rückte seine Halskette zurecht, die ihm als ein wesentlicher Teil seiner Verkleidung erschien, und ging mit vorsichtigen Schritten über den durchweichten Boden eines schmalen und jammervoll kahlen Gärtleins, in dem eine Katze hinter den Sperlingen her war. Dan n trat er in die Werkstätte ein.
    In dem mäßig großen Rau m befanden

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