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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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zornig in die Rede. Er war im Trientinischen geboren, und wenn er ärgerlich oder erregt war, kamen ihm italienische Worte statt der deutschen auf die Lippen. »Non si puo. Es ist unmöglich. Es kann nicht sein. Ihr kennt den Hof nicht, Ihr wißt nicht, wie solche Dinge bei Seiner Majestät verlaufen. Der Gesandte des Königs von England wartet seit zwei Monaten darauf, Seiner Majestät die Credentiales überreichen zu können, kann aber keine Audienz erlangen, wird vertröstet und hingehalten, schreibt Protest- und Beschwerdebriefe, droht, von Prag abzureisen, und wird nicht vorgelassen. Der Herr Oberst von Guenderode hat ein Handschreiben des Kurfürsten von Brandenburg zu überreichen, hilft nichts, er wird nicht vorgelassen. Den Fürsten Borghese, päpstlichen Internuntius, einen Neffen Seiner Heiligkeit, könnt' Seine Majestät nicht abweisen, ist ihm aber ins Wort gefallen, hat ihm aufgetragen, sich kurz zu fassen, wenig Worte zu machen, denn er, der Kaiser, sei mit Geschäften zur Genüge molestiert. — Und Ihr wollt vor Seine Majestät gelangen? Was begehrt Ihr von Seiner Majestät? Womit wollt Ihr meinem allergnädigsten Herrn im Ohre liegen, welches Geschwätz ihm hinterbringen? Hab' ich Euch jemals Grund zur Klage gegeben? Kennt Ihr mich nicht als einen — wie nennt Ihr's? — als einen Ohew Israel, einen Freund der Juden? Und bin ich zu Euch nicht immer wie ein Bruder gewesen?«
»Ich habe über nichts Klage zu führen, habe auch nichts zu hinterbringen«, sagte der Mordechai Meisl. »Es ist nur mein Bitten, weil Seine Majestät in angeborener Milde und Gnade ...«
»Es ist gut«, erklärte der Philipp Lang. Er sah, daß der Mordechai Meisl auf seinem Willen beharrte, zugleich aber kam es ihm ins Bewußtsein, daß die Sache so gefährlich nicht sei und daß er sich ihrer mit geringer Mühe erwehren konnte. »Meine Freundschaft für Euch«, fuhr er jetzt in einem völlig anderen Ton fort, »ist zu groß, als daß ich Euch einen Wunsch abschlagen könnte, und wäre es noch so schwierig, ihn zu erfüllen. Ihr sollt zufriedengestellt werden. Nur um eines bitte ich Euch, — habt ein wenig Geduld. Wenn es heut oder morgen nicht sein kann, so ist es darum nicht verloren. Ich muß einen bequemen Tag und Ort finden, daß ich mit Seiner Majestät allein und ungestört über die Sache sprechen kann. Denn mein allergnädigster Herr will mit Vorsicht behandelt sein, da darf nichts übereilt, nichts zur unrechten Stunde getan werden. Versteht mich recht, — ein wenig Zeit, zwei Wochen oder drei, das ist alles, was ich verlange.«
Der Mordechai Meisl durchschaute ihn. Etwas im Klang der Stimme, etwas im Ausdruck des Gesichtes ließ ihn erraten, was sich hinter diesen glatten Worten verbarg: Daß ihn der Philipp Lang schon zu den Toten rechnete, daß er ihm nicht mehr als zwei oder drei Wochen Leben gab, und daß er hoffte, der Müh' enthoben zu sein, wenn es ihm nur gelänge, die Sache hinauszuziehen.
»Ich danke Euch. Ich habe verstanden«, sagte der Mordechai Meisl.
In der Niklasgasse hatte der Philipp Lang seine Kutsche stehen, und dorthin begleitete ihn der Mendel mit der Laterne, denn in der Wirrnis der engen und winkeligen Gassen der Judenstadt konnte einer leicht den Weg verlieren.
Als er in das Haus auf dem Dreibrunnenplatz zurückkam, fand er seinen Herrn noch wach.
»Geh, wenn es Tag wird, zu den Fleischbänken«, trug ihm der Mordechai Meisl auf, »und frag die Metzger, wer von ihnen in dieser Woche das ungarische Ochsenfleisch in den Hirschgraben fährt.«
    Es gab in der Judenstadt etliche Leute, die konnten, wenn es ihnen beliebte, den Römischen Kaiser alle Tage sehen, so sehr er sich auch vor der Welt verborgenhielt. Das waren die Metzger und ihre Knechte. Denn die Prager Judenmetzger waren verhalten, dem Kaiser für die beiden Löwen, den Adler und die anderen wilden Tiere, die er sich hielt, täglich vierunddreißig Pfund Fleisch von guten ungarischen Ochsen in den Hirschgraben zu bringen, und so durften sie in ihrem Fleischerwagen ungehindert durch das Tor passieren. Und der Kaiser wiederum versäumte es niemals, der Fütterung seiner Tiere beizuwohnen, er achtete darauf, daß jedes seinen Teil erhielt, und den beiden Löwen, die er selbst gezähmt hatte und mit denen er sich durch den Einfluß der Gestirne auf magische Art verbunden fühlte, — ihnen und dem Adler, der einsam und traurig in seinem Käfig saß, reichte er bisweilen mit eigener Hand das Fleisch.
    Als eines Metzgers Knecht

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