Nachts unter der steinernen Bruecke
Glücksrittern und Betrügern, von Gelehrten und Künstlern aller Art, von Quacksalbern und Marktschreiern verbringt er sein Leben als ein in Wahrheit einsamer Mann.«
Einsam war auch er, der Mordechai Meisl, in seinem Haus, das den Tag über voll Lärm und geschäftigem Treiben war.
»Und warum«, fragte er den Philipp Lang, »hat Seine Majestät, der Römische Kaiser — Gott möge seinen Ruhm und seine Tage mehren —, warum hat er nicht Weib noch Kind?«
»Ihr sprecht recht gerade heraus«, meinte mit leichter Mißbilligung der Philipp Lang. »Aber warum sollten wir nicht offenherzig zueinander sein, da wir doch seit Jahr und Tag in Freundschaft miteinander verbunden sind? Warum Euch nicht die Wahrheit sagen? An Heiratsprojekten für meinen allergnädigsten Herrn hat es nicht gefehlt, man hat mit Madrid und mit Florenz Verhandlungen gepflogen. Geheimkuriere ritten hin und her, Bildnisse, die von der Hand berühmter Meister angefertigt waren, trafen ein und wurden besichtigt, — aber mein allergnädigster Herr wollte sich zu einer Ehe nicht bewegen lassen, da war jedes Wort vergeblich gesprochen.«
Er schwieg eine Weile und dann fuhr er im flüsterndem Ton fort, als wären außer dem Meisl noch andere in der Stube, die solch geheime Dinge nicht erfahren sollten.
»Mir hat mein allergnädigster Herr anvertraut, daß er nicht ehelich werden wolle, weil er auf seine Herzliebste von einstmals warte, auf ihr Wiederkommen, das er erhoffe, er könne sie nicht vergessen, sie sei immer in seinem Sinn. Er sprach von ihr in einer recht ungereimten und verworrenen Weise, ich konnte nicht klug aus seinen Reden werden. Sie sei ihm entrissen worden, sagte er, aber wie dies geschehen sei, das könne er nicht sagen. Sie sei nicht wieder zu ihm gekommen. — Und da mein allergnädigster Herr von ihrer immerwährenden Furcht, daß der Zorn Gottes sie treffen werde, gesprochen hat, so meine ich, daß sie eines anderen Mannes Frau gewesen ist.«
Wie der Meisl aus dem Mund des Philipp Lang von der Herzliebsten des Kaisers hörte, wurde das Herz ihm schwer, er wußte nicht, warum, es schlug und pochte und wollt' sich nicht zufrieden geben und war voll Leid.
Er sann darüber nach, warum mit einemmal diese Unruhe und Traurigkeit über ihn gekommen sei, er könnt' es nicht begreifen, ihm war nichts Böses widerfahren. Er war über sich verwundert und sann und überlegte, und dann kam es ihm in den Sinn, daß er vielleicht ein großes Versäumnis begangen habe, das so schwer in seiner Seele wog: Er hatte den Mann, mit dem er in seinen commerciis verbunden war, diesen Mann voll Rätsel und Sonderbarkeiten, voll Glanz und Herrlichkeit, er hatte den Römischen Kaiser niemals von Angesicht gesehen. Es schien ihm, als ob es just diese Unterlassung wäre, die ihn so bedrücke, und als ihm dieser Gedanke kam, wurde ihm leichter ums Herz. Und je länger er der Sache nachsann, desto übermächtiger wurde der Wunsch in ihm, den Kaiser oben auf der Burg zu sehen.
Er wandte sich an den Philipp Lang. Stockend und nach den rechten Worten suchend trug er ihm vor, wie groß sein Wunsch und sein Begehren sei, Seiner Majestät, dem Römischen Kaiser, für alle Guttaten, Gnaden und Freiheiten, die er empfangen habe, den schuldigen Dank zu sagen.
Der Philipp Lang sah bei diesen Worten darein wie einer, dem unversehens die Milben über das Mehl gekommen sind.
»Hör' ich recht?« rief er. »Sprecht Ihr im Ernst? Ihr wollt vor Seine Majestät, den Römischen Kaiser gelangen? Wer zum Henker hat Euch solch ein unsinnig Ding in den Kopf gesetzt?«
Ein Argwohn war in ihm entstanden, der ihn in Angst versetzte. Er glaubte, der Mordechai Meisl habe im Sinn, Unheil zu stiften und ihn beim Kaiser zu verklagen, — aber woher wußte der Jude, auf welche Weise könnt' er's erfahren haben, daß er, der Philipp Lang, als gerechte Wiedervergeltung Seiner getreuen Dienste einmal den vierten, ein andermal den fünften Teil von des Kaisers Geld zurückbehielt? Hatte denn der Meisl-Jude überall seine Aushorcher und Spione? — Was sind doch, sagte er in großer Erbitterung zu sich, die Juden für ein heilloses und verräterisches Volk und Gesinde, sinnen immer auf Böses, wollen sich niemals ruhig, wie es sich gehört, verhalten.
»Seine Majestät, der Kaiser«, sagte der Mordechai Meisl, »hat mich Ehr' und Herrlichkeit genießen lassen, mehr als sonst ein Jude haben und genießen kann. Darum ist mein hochfleißigstes Bitten ...«
»Non si puo«, fiel ihm der Philipp Lang
Weitere Kostenlose Bücher