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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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schöne und junge Frau alle Woche mit einer anderen Weibsperson betrüge, doch lasse er sich niemals mit einer ein, die auf den Namen Mari a getauft sei, denn damit könnte er, wie er meinte, die heilige Jungfrau beleidigen. Zwei gelehrte Herren an des Kaisers Hof, der Martin Ruhland, der das perpetuum mobile anfertigte, und der Italiener di Giorgio, der die großen parabolischen Spiegel schliff, die lägen miteinander im Streit, weil jeder von den beiden sich einbilde, der andere empfange für seine Dienste ein höheres Relutum als er selbst, und wenn sie einander in den Weg liefen, so gäben sie einander mehr Ehrentitel, als das deutsche und das welsche Alphabet zusammen Buchstaben habe, da käme es von der einen Seite: »Betrüger! Hansnarr! Lumpenhund! Hurenbock!« und von der anderen: »Birbone! Furfante! Mascalzone! Furbo!«, und dabei bliebe der Kaiser dem einen wie dem anderen seit Jahren das umstrittene Relutum schuldig. Der junge Graf Khevenhueller, Leutnant in des Kaisers berittener Leibgarde, sei aus dem Türkenkrieg mit einem Säbelhieb quer über den Hals zurückgekommen, der ihm die Sehnen zerschnitten habe, und so trage er, um den Kopf zu stützen, ein Halsband von Silber. Und wie er nun an der Offizierstafel darüber geklagt habe, wie schwer die Zeiten seien und wenn einer heute ginge, sich in der Stadt zu vergnügen, so sei des Geldes lange nicht genug, so teuer seien alle Ding, da habe sein Gegenüber, ein Hauptmann von den Hakenschützen, ihm zugerufen: »Verpfänd deinen Hals, du Narr, so kannst du zu deinen Huren laufen!« Und darüber sei es zu einer Schlägerei gekommen.
    Er hielt inne, denn der Mordechai Meisl wurde wieder von seinem Husten geplagt, und schon erschien, als hätte er an der Türe gehorcht, der Mendel mit einer Arzneiflasche in der Stube. Wie ein Schatten glitt er zu seinem Herrn, nahm ihm das Tüchlein aus der Hand und reichte ihm ein neues.
    »Es ist nichts«, sagte der Mordechai Meisl, als er wieder Atem hatte. »Ein wenig Husten. Er kommt von der Feuchtigkeit der Luft. Morgen wird er, so Gott es will, verschwunden sein, wenn warmes und trockenes Wetter sich wieder einstellt.«
    Und er gab mit einem Kopfnicken dem Mendel das Zeichen, daß er wieder gehen könnt'.
»Bis dahin«, riet ihm der Philipp Lang, »solltet Ihr in allen Räumen, in denen Ihr Euch aufhaltet, reichlich Salz auf den Fußboden streuen. Denn Salz ist ein starker Magnet, zieht das Wasser aus der Luft.«
Die ungarischen und die portugiesischen Weine, denen er während der Mahlzeit zugesprochen hatte, begannen ihm zu Kopf zu steigen. Es gibt Leute, die, wenn sie ein wenig mehr, als sie's gewohnt sind, getrunken haben, streitsüchtig werden und mit jedermann Händel suchen, und andere wieder, die lassen den Kopf hängen, vergießen Tränen und klagen, wie übel es mit der Welt bestellt sei. Zu keiner der beiden Sorten von Trinkern gehörte der Philipp Lang. Ihn machte der Wein nur geschwätzig und großsprecherisch. Und so begann er, von sich selbst und von seinen hohen Gaben zu reden und sich der Macht, die er ausübte, zu rühmen. Er habe, sagte er, beim Kaiser in allen Dingen das letzte Wort. Er könne alles bewirken, seinen Freunden dienlich sein, nichts könne gegen seinen Willen in Gang gebracht werden. So mancher hochgeborene Herr trachte vergeblich danach, seine Freundschaft zu gewinnen. Der aber, der würdig sei, daß er ihm seine Affection erweise, sei wahrhaft zu beneiden. Und er erhob sein Glas und leerte es auf seines werten Freundes, des Mordechai Meisl, Wohlergehen und währendes Glück.
»Solange ich«, sagte er sodann, »auf meinem Platze bin und im Königreich nach dem Rechten sehe, solange kann mein allergnädigster Herr sich nach seinem Belieben mit Musik die Zeit vertreiben oder in seiner Kunstkammer mit Gemälden seine Kurzweil haben.«
Der Meisl hing schweigend seinen Gedanken nach. Schon viel war ihm von dem seltsamen Mann oben auf der Burg berichtet worden, der erwählter Bömischer Kaiser und König von Böhmen war und seine Kammerdiener und Barbiere an seiner Stelle im Königreich schalten und walten ließ. Erst an diesem Morgen wieder hatte ihm der Herr Slovsky auf Slovic, als er seines Schuldscheins halber bei ihm vorgesprochen hatte, von seinem kaiserlichen Herrn erzählt. — »Er liebt die Menschen nicht«, hatte der Hofkammerrat gesagt. »Er schätzt sie allesamt gering, verachtet und verspottet sie. Umgeben von einer lärmenden Schar von Malern und Musikanten, von

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