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Nachts, wenn der Feuerteufel kommt

Nachts, wenn der Feuerteufel kommt

Titel: Nachts, wenn der Feuerteufel kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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deutlich. So dick war ihre Make-up-Schicht nun auch wieder nicht. Die
blauen Lidschatten zuckten. Dann hob sie die Schultern.
    „Eigentlich kenne ich die
beiden kaum. Nur gestern waren Susi und ich mit denen... Wenn die was
angestellt haben — ich weiß nichts davon. Und mit eurem Streit will ich nichts
zu tun haben. Die beiden...“„ Sie zögerte, gab sich aber einen Ruck und
vollendete, „...sind Brüder. Hartwig und Helmut Mölln. Sie wohnen in der
Klaftenau-Straße, gleich neben der Tankstelle.“
    „Das war’s“, sagte Tarzan.
„Danke.“
    Sie erwiderte nichts, sondern
warf ihren Zigarettenrest vor Gabys Rad.
    „Paß auf!“ sagte Gaby. „Du
versengst meinen Hund.“
    „Wieso? Hast du ihn in Benzin
gebadet?“ fragte das Mädchen giftig.
    „Dann wäre er nicht so
gepflegt, sondern sähe aus wie deine Frisur“, lachte Gaby.
    Die Lind wollte was erwidern,
fand aber nichts Treffendes, machte kehrt auf ihren gefährlichen Schuhen und
stolzierte zum Haus. Unterwegs stolperte sie. Aber sie vermied eine Bauch-,
beziehungsweise Po-Landung. Und erreichte die Haustür, den rettenden Hafen.
    „Wenn ich bedenke, daß die
unser Hausmädchen war“, meinte Karl. „Wenn sie’s heute noch wäre, würde ich
mich nicht mehr nach Hause trauen.“
    Lachend radelten sie weiter. Es
ging immer der Nase nach. Die Klaftenau-Straße lag im Südosten der Stadt. Und
führte schnurgerade zu einer mächtigen Kiesgrube, wo werktags stramm gearbeitet
wurde. Heute aber waren die Baracken der Arbeiter sicherlich verschlossen und
leer.

12. Keilerei in der Kiesgrube
     
    Als er zu Hause ankam, war
seine Feuerwehr-Uniformjacke durchgeschwitzt. Er stellte das Rad an den Zaun und
öffnete die Pforte.
    Der weiße Spitz lag in der
Sonne, hob den Kopf, sah, wer da kam und wedelte mit dem buschigen Schwanz.
Aber seine Freude hielt sich in Grenzen. Denn mit Bongo, dem Spitzrüden, hatte
Werner Keidel nur selten gespielt. Tiere waren ihm schnuppe, Hunde sogar
lästig. Den Spitz hatte seine Oma mitgebracht, als sie damals - vor zwei Jahren
- zu ihnen zog. Aber inzwischen war sie verstorben.
    Er hatte den Schlüssel
vergessen, klingelte, und die rundliche Frau Keitel, seine Mutter, öffnete. Sie
trug noch immer die Schürze, denn in der Küche wurde der Sonntagsbraten
vorbereitet.
    „Warum stellst du das Rad nicht
rein, Werner?“
    „Ich fahre noch mal weg.“
    „Aber nicht vor dem Essen!“
    „Doch! Es dauert nicht lange.“
    „Wir essen um ein Uhr!“ sagte
sie unwillig. Stirnrunzelnd sah sie ihn an.
    Er war ihr Sohn, ihr einziger,
aber er machte viel Sorgen. Neulich erst hatte sie ihn ertappt, als er heimlich
Haschisch rauchte. Ein furchtbarer Schreck war das für sie gewesen. Aber er
hatte winselnd versichert, das nie wieder zu tun und gebettelt, sie möge dem
Vater nichts sagen.
    Denn der, ein Bahnbeamter,
hätte nicht viel Federlesens gemacht und den 20jährigen verprügelt.
    „Jaja!“ sagte Werner. „Ich bin
rechtzeitig da.“
    Er lief in sein Zimmer und
vertauschte die Uniformjacke gegen einen Pulli. Aus der Küche holte er eine
Einkaufstüte aus Plastik. Seine Mutter stand an der Anrichte und strich Öl über
das Bratenfleisch.
    In seinem Zimmer kniete Werner
sich vors Bett. Er zog einen flachen Karton hervor, der allerlei Krimskrams
enthielt: schiefgelaufene Sandalen, eine Badekappe, mehrere Rollen Draht, eine
Luftpumpe, fünf Packungen Zigaretten, ein Fernglas, dessen linke Optik
zerbrochen war, zahlreiche alte Taschenkalender und eine — große weiße
Schachtel.
    Sie war mit mehreren Stricken
umschnürt.
    Vorsichtig steckte er sie in
den Plastikbeutel.
    Als er vors Haus trat, lag
Bongo auf den Stufen. Er gähnte mit weit geöffnetem Fang ( Jägersprache: Maul
des Hundes ).
    „Hau ab, Mistköter!“
    Bongo hörte den bedrohlichen
Ton, wollte rasch beiseite und sich in Sicherheit bringen. Aber seine steifen
Knochen gehorchten nur langsam, und Werner Keidel war schneller.
    Seine Schuhspitze traf Bongo in
die Rippen. Schrill jaulte der Spitz auf. Eine Frau, die auf der Straße
vorbeiging, sah sich um. Aber Werner, dieser liebenswerte junge Mann, lief
bereits durch die Pforte zu seinem Rad.
    Sorgfältig band er das Paket
auf dem Gepäckträger fest.
    Dabei lutschte er unablässig an
seinen Lippen, die immer röter wurden, schon richtig entzündet aussahen. Er schwitzte,
und der fiebrige Ausdruck in seinem Gesicht war noch stärker geworden.
    Er fuhr in südliche Richtung.
Sein Ziel war die Kiesgrube außerhalb der Stadt.

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