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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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die Zaungäste aus. So lange nimmt man sich immer wieder die drei Unteroffiziere vor. So lange telefoniert man in Abständen von einer halben Stunde mit dem Krankenhaus, bis die Nachtschwester verärgert ist.
    Etwas wissen die Polizeibeamten nicht, das ihnen den Mörder frei Haus liefern würde, noch in dieser Nacht, noch in dieser Stunde. Sie wissen nicht, daß er barfuss ist und irgendwo seine Schuhe sucht.
    Bevor er blindlings davonlief, drehte sich der Mörder noch einmal um. Er sah, daß ihn zwei Männer verfolgten, daß sie ihm immer näher kamen. Er sah, daß es Soldaten waren. Einen Augenblick überlegte er, es darauf ankommen zu lassen, sie niederzuboxen, wenn sie ihn fassen wollten. Aber vielleicht trugen sie Pistolen.
    Er fiel hin, rappelte sich hoch und keuchte weiter. Er hatte die Gegend noch nie gesehen. Sie war weit und breit flach wie ein Nudelbrett. Nirgends gab es ein Versteck. Der Mörder schlug Haken. Die beiden Verfolger liefen nicht beieinander. Vielleicht waren sie jetzt noch fünfzig Meter hinter ihm. Sie trugen Stiefel und konnten besser auftreten als er. Aber an ihren klobigen Knobelbechern blieb der Lehmbrei auch besser haften.
    Die Angst, die Bruno Lüdke auf einmal verspürte, peitschte ihn vorwärts. Sie gab ihm Luft und Kraft. Aber wie lange noch? Wie lange würde er noch durchhalten, wie lange konnten die Männer hinter ihm noch weiterlaufen? Wieder stolperte er. Er fiel unglücklich. Als er wieder auf den Beinen war, schmerzte der linke Fuß. Er mußte ihn verknackst haben.
    Lüdke lief trotzdem weiter, von Furche zu Furche, querfeldein, dem weiten, dunklen Horizont entgegen, der ihn vielleicht retten konnte.
    Er stolperte wieder und landete in einem Wassergraben. Er war jetzt am Ende seiner Kräfte. Er blieb einfach liegen. Mit dem Kopf nach unten. Ein paar Augenblicke lang war ihm alles gleichgültig. Dann hörte er seine Verfolger, und er machte sich fertig zum Kampf. Er hörte, wie sie keuchend miteinander sprachen. Er bemerkte, daß sie stehen geblieben waren und sich überlegten, wohin er verschwunden sein könnte.
    Ein paar Mal kamen sie ihm so nahe, daß er glaubte, die Absätze ihrer Stiefel zu spüren. Die Sicht war jetzt besser, aber der Mörder verwuchs in seinem dunklen Anzug mit dem Boden. Doch daran dachte Bruno Lüdke nicht. Er wollte einfach liegen bleiben und Kräfte sammeln, solange es möglich war. Wiederholt war er, wenn die Spannung unerträglich war, dicht daran, aufzuspringen und sich auf seine Verfolger zu stürzen.
    Aber er besaß den Stumpfsinn und die Nerven, liegenzubleiben und abzuwarten. Die beiden Verfolger entfernten sich. Langsam gingen sie auf das Haus zurück. Ein paar Mal drehten sie sich noch um. Aber aus der größeren Entfernung konnten sie ihn noch weniger bemerken. Der Mörder wartete, bis sie im Haus verschwunden waren.
    Er hatte verschnauft. Zunächst war er außer Gefahr.
    Er steht auf und geht langsam weiter, von der Gaststätte weg. Das Stechen in seinem linken Fuß ist jetzt noch stärker. Er humpelt und flucht. Und überlegt. Der Mann, der nicht bis drei zählen kann, in dessen Papieren die Behörden schwarz auf weiß bescheinigen, daß er schwachsinnig ist, handelt auf einmal mit teuflischer Intelligenz.
    Er braucht seine Schuhe wieder. Ohne sie kommt er nicht weit. Sowie die Nacht zu Ende ist, endet auch die Frist, die ihm der Zufall einräumte. Er könnte einbrechen und sich ein paar Schuhe besorgen. Aber wer weiß, ob nicht die ganze Gegend schon rebellisch ist? Ob man nicht nur darauf wartet, bis er sich einem Gehöft nähert?
    Er müßte mit dem Hund fertig werden. Er müßte unbemerkt in das Haus kommen. Er müßte Schuhe suchen; und wenn er sie fände, fragt sich noch, ob sie passen. Das alles würde viel Zeit kosten. Und bis zum Morgen muß er verschwunden sein, sonst ist er verloren.
    Das alles überlegt er – er, der Halbidiot. Und er kommt auf einen Ausweg, einen Ausweg á la Bruno Lüdke: er will sich seine eigenen Schuhe wiederholen, die er vor dem Überfall auf den ›Lindenhof‹ ausgezogen und in etwa hundert Meter Entfernung von dem Haus in einem Kartoffelacker zurückgelassen hat.
    Er geht zurück.
    Er macht einen großen Umweg, nach links. Gefahr droht ihm erst, wenn er die Hauptstraße überquert. Er ist jetzt ganz nahe an sie herangekommen. Er sieht nach links und nach rechts. Ein Krankenwagen fährt vorbei. Der Mörder grinst blöde vor sich hin. Dann huscht er mit einem Sprung über die Straße. So schnell sein

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