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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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verstauchter Fuß es erlaubt. Und wieder macht er einen weiten Bogen.
    Jetzt muß er, seiner Berechnung nach, auf der Höhe des Hauses sein. Er ändert die Richtung und geht langsam auf den ›Lindenhof‹ zu.
    Von weitem sieht er schon die Menschen, die vor dem Haus stehen und den Überfall in genüsslicher Empörung debattieren. Er ist jetzt so nahe herangekommen, daß der Wind ihre Stimmen zu ihm hinträgt. Alles starrt auf das Haus. Keiner kommt auf den Gedanken, sich umzudrehen. Jeder ist bestrebt, bloß keine Einzelheit der nächtlichen Sensation zu versäumen. In Schildau geschieht wenig. Ein Mordüberfall schon überhaupt nicht.
    Der Zufall will es, daß in diesem Augenblick die Polizei nicht auf den einfachsten und naheliegendsten Gedanken kommt. Wieder unterläuft der Polizei eine geradezu unglaubliche Nachlässigkeit. Wieder versiebt sie eine todsichere Chance, den Massenmörder zu fassen. Der Einsatz von Polizeihunden würde Bruno Lüdke jede Chance des Entrinnens rauben. Noch ist seine Spur so frisch, daß die Tiere der Witterung folgen könnten. Zwei, drei Kilometer vielleicht ist der Täter im Kreis marschiert – für einen dressierten Polizeihund eine Kleinigkeit.
    Während also die Polizei im Innern des Gebäudes sich immer wieder die drei Unteroffiziere vornimmt, um weniger als nichts zu erfahren, nähert sich der Mörder seinen Schuhen. Hundert Meter vielleicht noch. Jetzt hört er jedes Wort. Jetzt bleibt er nach jedem Schritt stehen. Jetzt belauert er die nichts ahnende Gruppe vor dem ›Lindenhof‹.
    Er ist eiskalt, selbst als er seine Schuhe nicht gleich findet. Jetzt hat er sie. Im Liegen zieht er sie an. Ohne Eile. Dann schleicht er zurück. Niemand entdeckt ihn. Er ist wieder außer Sicht. Und er weiß, was er zu tun hat.
    Er muß sich waschen. An seinem Anzug hat sich eine dicke Lehmkruste festgesetzt. Die Klumpen sind mittlerweile hart geworden. Er kann sie mit der Hand abstreifen. Weiter humpelt der Mörder durch die Nacht. Er stößt auf einen Wassergraben und wäscht sich, so gut es geht. Er schlüpft wieder in seinen klitschnassen Anzug.
    Am Horizont zeigt sich das erste Dämmern. Gleich werden die Milchautos auftauchen. Mit einem dieser Autos muß er flüchten. Da hat er seine Erfahrung. Er weiß, wie er mit den Leuten sprechen muß.
    Nach einer Stunde erreicht er vor dem Genossenschaftshaus eines kleinen Dorfes ein Milchauto. Er geht auf den Fahrer zu. Wieder läßt ihn sein satanisches Glück nicht im Stich. Der Mann am Steuer weiß noch nichts von dem nächtlichen Drama im ›Lindenhof‹.
    »Kumpel, nimmst du mich mit?« fragt Bruno Lüdke.
    »Mensch, wie siehst du denn aus?« erwidert der Mann.
    »Ick hab' 'n dolles Ding erlebt. Weeste schon, mit 'nem Weib. Hab' dort jepennt, und dann ist der Olle jekommen. Na, ick nischt wie zum Fenster raus. Den Fuß hab' ick mir ooch noch verstaucht. Aber immer noch besser so was, als Dresche kriejen.«
    Der Fahrer lacht sich halbtot über die Geschichte. Er läßt sie sich in immer neuen Versionen erzählen. Bruno Lüdke geizt nicht damit. Während er plumpsimple Einzelheiten erfindet, rollt der Wagen dem Morgen entgegen.
    Im nächsten Städtchen verabschiedet sich der Mörder. Er hat kein Geld und steigt ohne Fahrkarte in einen Zug. Auch das hat er gelernt. Der Zug fährt in Richtung Berlin.
    Was die ungeklärten Morde betrifft, so schließt die Polizei das Jahr 1941 mit einer schrecklichen Bilanz.
    Im Februar wurden die Eheleute Reinhard und Luise Pett getötet. Dieses Verbrechen wurde als Selbstmord frisiert. Wider besseres Wissen.
    Knapp zwei Monate später starb Käthe Mundt, geborene Schulz, deren Mann immer noch der Tat verdächtigt wird.
    Am 5. Mai wurden Paul Umann und seine Frau Gertrud ermordet.
    Am 14. September entgingen der Gastwirt Karl Kühne und seine Frau Auguste mit knapper Not dem sicheren Tod.
    Das aber ist noch lange nicht alles. Noch zweimal schlug der Mörder in diesem Jahr zu.
    Der erste Fall spielte in Berlin N 31, Wattstraße 15. Am 3. Mai wurde die 41 Jahre alte Frau Minna Gutermann, geborene Scheike, tot aufgefunden. Erwürgt. Geschändet. Beraubt. Diesen Mord schrieb man, als sich alle Spuren als falsch herausstellten, dem sich jeweils im Nichts auflösenden Berliner Frauenmörder zu. Es war jetzt schon der siebente Fall, und die Berliner Mordkommission glaubte endlich an einen Serienmörder. Endlich wußte sie, daß es sich immer um denselben Täter handelte.
    Das war aber auch alles, was sie von ihm

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