Nachts wenn der Teufel kam
zu Geiger. »Sie brauchen nicht nervös zu sein, ich weiß schon. Ich habe gar nichts gegen Sie. Sie sind auch nicht mehr oder weniger verdächtig als jeder andere Einwohner Köpenicks. Ich will nur wissen, wo Sie am Freitag, dem 29. waren.«
»An meinem Arbeitsplatz.«
»Wo ist Ihr Arbeitsplatz?«
»Eisengießerei Feldhütter.«
»Da waren Sie von wann bis wann?«
»Von acht Uhr morgens bis achtzehn Uhr abends.«
»Sie haben den Betrieb nicht verlassen?«
»Ich glaube nicht … Ja, doch. Um zehn Uhr morgens war ich bei der Ortskrankenkasse, um einen Krankenschein für meine Frau zu besorgen. Das kann aber auch schon am Donnerstag gewesen sein.«
»Haben Sie sich zurückgemeldet?«
»Ja, beim Pförtner.«
Kriminalkommissar Franz gibt einem seiner Leute einen Wink. Der Beamte geht in das Nebenzimmer und telefoniert mit der Eisengießerei, bei der Geiger beschäftigt ist. Nach zehn Minuten kommt er zurück. Er flüstert dem Kommissar etwas ins Ohr. Franz steht auf.
»Stimmt alles, was Sie sagen. Tut mir leid, daß wir Sie hierher bemüht haben.«
Geiger nickt. Eigentlich wollte er sich beschweren, aber er verzichtet darauf.
So geht es weiter. Frieda Rösner ist schon seit einigen Tagen beerdigt. In der ganzen Stadt hängen jetzt Fahndungsplakate. Der junge Chef der Mordkommission kümmert sich keinen Augenblick darum, daß das dem Propagandaministerium unangenehm ist. Als ihn ein Beamter darauf aufmerksam macht, entgegnet er: »Dann soll das Propagandaministerium die Morde klären. Solange ich auf diesem Posten bin, lasse ich mir nicht vorschreiben, was ich machen darf und was nicht.« Der Mitarbeiter hebt die Schultern und läßt sie wieder sinken – und das heißt wohl: Wenn der so weitermacht, wird der nicht mehr lange im Amt sein.
Abends, nach Dienstschluss, nimmt Franz die Hinweise der Bevölkerung mit nach Hause, geht sie wieder und wieder durch. Irgendwo muß die Lösung stecken, sagt er sich, unter diesem Wust von sinnlosen Anschuldigungen, von idiotischen Beobachtungen, von geldgieriger Wichtigtuerei. Denn die tausend Mark Belohnung, die für die Ergreifung des Täters ausgesetzt sind, lassen in Köpenick jeden zweiten zum Amateurdetektiv werden.
Da sind zwei Verdächtige, die Kratzwunden im Gesicht hatten. Nicht neu. Sie sind bereits vor Tagen überprüft worden. Aussage ganz natürlich. Dann wurde auf einen Landstreicher hingewiesen, auf einen betrunkenen Feldwebel, auf einen Mann, der seine Frau jeden Tag verprügelt, auf einen HJ-Führer, auf einen Müllkutscher.
Kriminalkommissar Franz hat die Hinweise durchnummeriert. Er ist jetzt bei Nummer 478 angelangt. Stop, ein Mann trieb sich im Wald herum. Am Nachmittag. Ein stadtbekannter Tagedieb: Bruno Lüdke.
Den Namen habe ich schon gehört, denkt sich Franz. Er holt einen Zettel aus seinem Schreibtisch. Ja, hier steht's: Lüdke, vorbestraft wegen Holzdiebstahls, Tierquälerei. Sterilisiert wegen Schwachsinns.
Es ist zehn Uhr abends, aber Franz stößt sich nicht an der späten Stunde. Er ruft Kriminalsekretär Heizmüller an.
»Was ist mit dem doofen Bruno?«
»Der ist harmlos, Herr Kommissar.«
»Warum?«
»Na, mit Frauen hat der nie was.«
»Woher wissen Sie das?«
»Er wurde noch nie mit einer Frau gesehen.«
»Das sagt gar nichts. Sie kennen ihn persönlich?«
»Ja, natürlich, Herr Kommissar. Jeder kennt ihn in Köpenick.«
»Und was treibt der Mann?«
»Wenn er nicht gerade blau macht, fährt er Wäsche aus.«
»Gut«, erwidert Franz. »Sorgen Sie dafür, daß der Mann morgen früh um acht Uhr bei mir erscheint. Nein, nicht im Büro, in meiner Wohnung. Sagen Sie ihm, er soll Wäsche abholen.«
Bis vier Uhr morgens brütet der junge Beamte über den Akten. Er, der Anfänger, der zum ersten Mal selbständig einen Mord bearbeitet, wird den alten, routinierten Fachleuten zeigen, wie man mit Verbissenheit, Fleiß, Logik, Fantasie und der Kunst, mit Menschen umzugehen, einen Mordfall klärt.
Nicht einen, ziemlich genau 84.
Der doofe Bruno erscheint mit einer halben Stunde Verspätung. Franz beobachtet ihn, wie er den Wäschekorb mit einer Hand aufhebt und ihn sich über die Schulter wirft.
»Rauchen Sie?« fragt er Bruno.
»Mensch, so 'ne Frage.«
Bruno Lüdke setzt den Wäschekorb wieder ab, nimmt die Zigarette, läßt sich auf einen Stuhl fallen, streckt die Beine von sich.
»Sie haben wohl mächtig viel Zigaretten, wat?«
»Es geht.«
»Dann können Se mir ja noch eene jeben.«
»Später«, entgegnet Franz. »Sag
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