Nachts wenn der Teufel kam
mal, du bist also der doofe Bruno?«
»Stimmt, det bin ick.«
»Und warum läßt du dir gefallen, daß dich die Leute so nennen?«
»Na, ick bin doch doof, oder nicht?«
Franz schweigt, er lächelt nur.
»Ist ooch sehr praktisch. Mir kann jar nischt passieren, wenn ick mal wat ausfresse, wissen Se. Ick hab' nämlich den Paragraph eenundfuffzig.«
»Was ist das?« fragt Franz.
»Na, ick gloobe, Sie sind doof. Der Paragraph eenundfuffzig, det is so 'ne Sache. Wenn man uff de Pferde drischt, kann nischt passieren.«
»Prima«, antwortet der Kommissar. Dann opfert er seine drittletzte Zigarette.
»Sag mal, Bruno, da ist doch eine umgebracht worden. Hast du die gekannt?«
»Na klar, Mensch, det war doch die Tante Frieda. Ick kenn se schon lange.«
»Wann hast du sie zuletzt gesehen?«
»Na da, wo sie umjebracht wurde. Ick hab' doch noch Holz uffjelesen.«
Der Kriminalkommissar nimmt sich zusammen, um sich die Überraschung nicht anmerken zu lassen.
»Hast du sie gern gemocht?« fragt er.
»Ach ja. Aber es war ooch nur een Weib.«
»Magst du Weiber nicht?«
»Die taugen doch alle nischt. Die wollen eem doch nur det Jeld abnehmen. Und dann wollen se eem weiterschicken.«
»So«, erwidert Franz. Er steht auf und geht im Zimmer hin und her. Irgendwie fühlt er, daß er ganz nahe vor der Lösung steht. Er glaubt, im harmlosen doofen Bruno den Mörder vor sich zu haben. Den Mörder der Frieda Rösner.
»Sag mal, Bruno«, fragt er, »hast du sie umgebracht?«
»Warum fragen Se mich so doof? Mann, wer sind Se überhaupt? Wat wollen Se von mir? Quatschen Se nich so dämlich, sonst werd' ick komisch.«
»Natürlich, Bruno«, sagt Franz, »du hast sie umgebracht.«
Nun spielt sich alles blitzschnell ab, so schnell, daß der junge Kriminalkommissar zu spät reagiert. Mit einem Satz springt Bruno hoch, stürzt sich auf ihn, schlägt mit den Fäusten wie wild auf ihn ein. Zwei, drei Schläge treffen den Beamten. Er liegt am Boden. Bruno steht vor ihm und feixt.
»Det langt Ihnen wohl?« sagt er. »Aber Se können schon noch een paar haben.«
Langsam erhebt sich Franz. Die Hiebe schmerzen. Er geht auf Bruno zu.
»Du bist ein Anfänger«, sagt er. »So macht man das.«
Der junge Chef der Mordkommission ist Amateurboxer. Seit Jahren schon, und er hat jetzt Gelegenheit, sein Können zu zeigen. Er boxt den bulligen Bruno Lüdke mit vier, fünf Schlägen kunstgerecht zusammen.
Jetzt liegt Bruno am Boden, und Franz steht daneben. Mit fassungslosem Staunen sieht der doofe Bruno den Kommissar an.
»Mensch, wie haste det jemacht! Is' ja doll! Du kannst ja besser boxen als icke!«
»Da staunst du, was?« erwidert Franz. Er gibt ihm die vorletzte Zigarette. »Setz dich«, sagt er dann, »und jetzt wollen wir vernünftig miteinander reden. Du hast sie umgebracht, nicht?«
»Ja«, erwidert Lüdke. »Ick kann Ihnen det ja sajen. Ick hab' ja den Eenundfuffziger.«
»Wie hast du das gemacht?«
»Na, ick hab' ihr die Gurgel zujehalten, dann hat es ›kieks‹ jemacht, und dann war se hin. Doll, nicht?«
»Ja«, erwidert Franz. »Jetzt hast du Pech gehabt, Bruno«, fügt er hinzu, »ich bin von der Polente.«
»Macht nischt«, entgegnet Bruno, »du bist ein feiner Hund, dir sag' ick det. Dir sag' ick noch viel mehr. Meinste, det war die erste? Mensch, Mann, ick hab' noch janz andere umjebracht!«
»Wie viele?« fragt Franz.
»Jenau weeß ich det nicht. Es können siebzich jewesen sein, oder vielleicht hundert. Es ist schon lange her. Ick hab' schon mit sechzehn angefangen.«
Plötzlich hat der Beamte das Gefühl, daß Bruno Lüdke nicht lügt, daß der Tölpel vor ihm nicht renommiert, daß er den langgesuchten Berliner Frauenmörder vor sich hat, daß jetzt eine endlose Serie von Morden geklärt werden kann. Er reißt sich zusammen, um sich das Entsetzen nicht anmerken zu lassen.
»Und jetzt kommst du mit, Bruno«, sagt er.
Tag und Nacht nimmt sich Kriminalkommissar Franz in Köpenick den ›doofen Bruno‹ vor. Noch ahnen Vorgesetzte und Untergebene nicht, daß er dem blutigen Phantom auf der Spur ist.
Aber kann denn das alles stimmen, was Lüdke erzählt? Die Brutalität seiner Verbrechen? Ihre Zahl? Die Sorglosigkeit, mit der sie verübt wurden? Diese fast zwanzig Jahre langen Streifzüge des Massenmörders kreuz und quer durch Deutschland?
Bruno versichert immer und immer wieder, die pure Wahrheit zu sagen. Er lächelt bei seinen Aussagen gutmütig wie ein Kind. Es macht ihm direkt Spaß, dem sympathischen
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