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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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fahren wir zurück.«
    »Ick hab' so viele umjebracht, aber was Falsches, det lass ick mir nicht nachsajen, verstehen Sie det?« Er deutet auf Kriminalsekretär S. »Der muß weg, den will ick nicht mehr sehen, und denn erzähl' ick Ihnen wat janz Dolles.«
    Auch diese massive Gegenprobe ist geglückt. Und weiter gesteht der Massenmörder.
    Pommern ist die nächste Station der Sonderkommission. Hier hat Bruno Lüdke einen Teil seiner Jugend verbracht, als geistig zurückgebliebenes, harmloses Kind, mit dem alle Welt Mitleid hatte. Wer von denen, die ihn kannten, hätte daran gedacht, daß er sich schon wenige Jahre später hier herumtreiben und seine Spuren mit Blut markieren würde!
    Drei ungeklärte Morde stehen in Pommern noch zu Buch.
    Erster Ort auf der Landkarte des Verbrechens ist Stettin. Hier starb am 6. Juli 1930 die 21jährige Charlotte Hildebrandt – unter Umständen, die kein Polizeibericht wiedergeben kann.
    Der Mörder kauerte an der Friedhofsmauer. Es war gegen 22 Uhr. In einer dieser stockfinsteren, unheimlichen Nächte, in die man keinen Hund hinaustreibt. Der Mörder wartete und rauchte. Er wartete auf ein Opfer; der Zufall sollte als Zuhälter auftreten. Eine junge, ahnungslose Frau, ein Mädchen noch, kam ihm entgegen. Von weitem schon hörte man ihre Schritte. Von weitem schon konnte man feststellen, daß sie allein war. Der Mann sprang aus dem Schatten der Friedhofsmauer. Ein Griff, ein Schrei, der in hilfloses, schauriges Gewimmer überging. Niemand hörte es. Niemand kam zu Hilfe. Niemand verfolgte die gedrungene Gestalt des Mörders, die sofort wieder von der Nacht verschluckt wurde. Niemand beobachtete den Mann, wie er sich kurze Zeit später auf ein Lastauto schwang und nach Berlin zurückfuhr.
    Dreizehn Jahre danach wird dieser Mord von Kriminalkommissar Franz im Handumdrehen geklärt – zu einer Zeit, da auch die Behörden das grausige Geschehen an der Friedhofsmauer bereits vergessen haben. Mit somnambuler Sicherheit findet Bruno Lüdke den Friedhof am Stadtrand. Er deutet auf die Mauer. »Hier war et«, sagt er.
    Er schildert die Einzelheiten, als sei der Mord erst gestern passiert, während sich auf der Pasewalker Chaussee Zuschauer ansammeln. Sie bleiben stehen, weil die anderen stehen bleiben. Sie wissen nicht, um was es geht. Niemand denkt mehr an Charlotte Hildebrandt.
    Am Nachmittag schon können im Polizeipräsidium die angegilbten Akten geschlossen werden.
    »Weitere Behandlung des Falles erfolgt von Berlin aus«, bescheinigt der junge Kriminalkommissar der Stettiner Polizei.
    Und weiter geht die unheimliche Fahrt. Nach Grüneberg bei Reetz, wo man am 11. Mai 1930 in einem Entwässerungsgraben Else Ladwig fand. Tot. Ermordet. Ein Mädchen aus dem Dorf, das jeder kannte.
    Hier kommt es jetzt zu einer der erschütterndsten Szenen des Falles Bruno Lüdke.
    Zwei Männer stehen sich wortlos gegenüber, starren sich ins Gesicht: der Mann, der für den Mord büßte, und der Mann, der ihn verübt hat.
    Als Fritz Bauer, der untersetzte Mann mit dem gutmütigen Gesicht, mit dem freundlichen Wesen, mit der unbeholfenen Ausdrucksweise, nach einer Zeit, für die er jeden Maßstab verloren hatte, aus dem Zuchthaus entlassen wurde, beginnt für ihn erst die Hölle, martert ihn das Leben, so daß er sich manchmal nach der Einsamkeit der Zelle zurücksehnt, daß er erbittert wünscht, der Henker hätte ihn nicht nur gestreift, sondern auch gerichtet.
    Unschuldig gerichtet.
    Eines Tages kam der Staatsanwalt zu ihm in die Zelle.
    »Na, Bauer«, sagte der Staatsanwalt, »wie wär's heute mit einem Geständnis?«
    »Ich habe nichts zu gestehen«, entgegnete der Gefangene. Er sagte den Satz ohne Betonung, ohne Schärfe, nicht einmal mehr mit Verbitterung. Er hatte ihn so oft gesprochen, daß er für ihn zu einer Formel wurde, die ihren Sinn längst verloren hat.
    »Sie sagen immer das gleiche«, fuhr der Staatsanwalt ihn an.
    »Ich sage immer die Wahrheit.«
    Der Beamte winkte ab. Er hörte gar nicht mehr hin. In den zwanzig, dreißig Jahren, in denen er von Staats wegen nach bestem Wissen und Gewissen seine Pflicht erfüllte, hatten ihm kleine und große Gauner, Diebe und Mörder immer wieder beteuert, daß sie die reine Wahrheit sprächen.
    »Sie haben mich rufen lassen. Wenn Sie etwas zur Sache zu bemerken haben, dann fangen Sie an. Ich habe meine Zeit nicht gestohlen.«
    »Ich will entlassen werden«, entgegnete Bauer. »Ich bin unschuldig. Ich habe hier nichts zu suchen.«
    »Das ist

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