Nachts
er zu wissen, was der alte Mann zu sagen versucht hatte.
2
Sam dachte, Daves Begräbnis würde in der Baptistenkirche von Proverbia stattfinden, und mußte zu seiner Überraschung herausfinden, daß Dave irgendwann zwischen 1960 und 1990 zum Katholizismus übergetreten war. Die Trauerfeier fand am 11. April, einem wechselhaften Tag zwischen Wolken und Frühlingssonnenschein, in der Kirche St. Martin statt.
Nach der Bestattung wurde eine Feier in der Angle Street abgehalten. Es waren fast siebzig Menschen anwesend, die bei Sams Eintreffen durch die Erdgeschoßräume schlenderten oder in kleinen Grüppchen beisammenstanden. Sie alle hatten Dave gekannt und sprachen voll Humor, Respekt und unerschütterlicher Liebe von ihm. Sie tranken Ginger Ale aus Plastikbechern und aßen belegte Brötchen. Sam ging von einer Gruppe zur nächsten, wechselte ab und zu ein paar Worte mit jemand, den e r kannte, blieb aber nie zu einem Schwätzchen stehen. Er nahm selten einmal die Hand aus der Tasche seines dunklen Mantels. Auf dem Weg von der Kirche hierher hatte er im PigglyWiggly Station gemacht, und jetzt hatte er ein halbes Dutzend Zellophanpäckchen darin, vier lang und dünn, zwei rechteckig.
Sarah war nicht da.
Er wollte gerade gehen, als er Lukey und Rudolph in einer Ecke sitzen sah. Sie hatten ein CribbageBrett zwischen sich, schienen aber nicht zu spielen
»Hallo, Jungs«, sagte Sam und ging zu ihnen. »Ihr erinnert euch wahrscheinlich nicht an mich «
»Aber klar doch«, sagte Rudolph. »Wofür halten Sie uns?
Schwachköpfe? Sie sind Daves Freund. Sie sind an dem Tag hier gewesen, als wir die Plakate gemalt haben.«
»Richtig!« sagte Lukey.
»Haben Sie die Bücher gefunden, die Sie gesucht haben?« fragte Rudolph.
»Ja«, sagte Sam lächelnd. »Letztendlich schon.«
»Richtig!« rief Lukey aus.
Sam holte die vier schlanken Zellophanverpackungen heraus.
»Ich hab euch Jungs was mitgebracht«, sagte er.
Lukey sah sie an und fing an zu strahlen. »Slim Jims, Dolph!«
sagte er und grinste entzückt. »Sieh doch! Sarahs Freund hat uns allen verdammte Slim Jims gebracht! Toll!«
»Hier, gib sie mir, alter Quatschkopf«, sagte Rudolph und packte sie. »Der Pißkopf würde sie alle auf einmal essen und heute nacht ins Bett scheißen, wissen Sie«, sagte er zu Sam. Er packte einen Slim Jim aus und gab ihn Lukey. »Hier, Gierschlund. Den Rest hebe ich für dich auf.«
»Kannst auch einen haben, Dolph. Los doch.«
»Du solltest es besser wissen, Lukey. Diese Dinger brennen bei mir an beiden Enden.«
Sam achtete nicht auf das Geplänkel. Er sah Lukey durchdringend an. »Sarahs Freund? Wo haben Sie das gehört?«
Lukey schlang einen halben Slim Jim mit einem Bissen runter und sah auf. Sein Gesichtsausdruck war heiter und listig zugleich.
Er legte einen Finger an den Nasenflügel und sagte: »Wenn man im Programm ist, hört man so manches, Sunny Jim. Aber hallo.«
»Der weiß gar nix, Mister«, sagte Rudolph und trank seinen Becher Ginger Ale leer. »Er bewegt nur die Kiefer, weil er das Geräusch so gern hört.«
»Das ist nichts als Scheiße!« schrie Lukey und biß wieder ein Riesenstück von dem Slim Jim ab. »Ich weiß es, weil Dave es mir gesagt hat! Letzte Nacht. Ich habe geträumt, und Dave ist darin vorgekommen, und er hat mir gesagt, der Typ da wäre Sarahs Sü
ßer!«
»Wo ist Sarah eigentlich?« fragte Sam. »Ich hatte angenommen, daß sie hier sein würde.«
»Sie hat nach der Beerdigung kurz mit mir gesprochen«, sagte Rudolph
Sie hat mir gesagt Sie wüsste wo Sie sie später finden können, wenn Sie sie sehen wollen. Sie sagt, dort hätten Sie sich schon einmal gesehen.«
»Sie hat Dave furchtbar gern gehabt«, sagte Lukey. Eine Träne wuchs in einem Augenwinkel und lief seine Wange hinab. Er wischte sie mit dem Handrücken weg. »Wie wir alle. Dave hat es immer so sehr versucht. Eine Schande, wissen Sie. Wirklich eine Affenschande.« Plötzlich brach Lukey in Tränen aus.
»Ich will Ihnen etwas sagen«, meinte Sam. Er kauerte sich neben Lukey und gab diesem sein Taschentuch. Er war selbst den Tränen nahe und hatte Todesangst vor dem, was er nun tunoder versuchen mußte. »Am Ende hat er es geschafft. Er ist nüchtern gestorben. Was immer Sie für Gerüchte hören denken Sie immer daran, weil ich weiß, daß es stimmt. Er ist nüchtern gestorben.«
»Amen«, sagte Rudolph ehrerbietig.
»Amen«, stimmte Lukey zu. Er gab Sam sein Taschentuch wieder. »Danke.«
»Nicht der Rede wert,
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