Nachts
aber die Polaroid war eindeutig der Mittelpunkt, und sie freuten sich, weil er sich so freute) und vergaß nicht, Meg einen Kuß zu geben (sie kicherte und tat so, als würde sie ihn wegreiben, aber ihre eigene Freude war gleichermaßen deutlich) und ihr zu versichern, daß die Handschuhe gerade recht zum Skikurs diesen Winter kamen aber den größten Teil seiner Aufmerksamkeit schenkte er dem Polaroidkarton und den Filmen, die dabei waren.
Er erwies sich als wahrer Sportsmann, als es um Kuchen und Eiskrem ging, aber es war deutlich, er brannte darauf, die Kamera auszuprobieren. Und das tat er, sobald er es, ohne unhöflich zu sein, konnte.
Da fing der Ärger an.
Er las die Gebrauchsanweisung so gründlich, wie seine Ungeduld, endlich anzufangen, es zuließ; dann lud er die Kamera, während die Familie voll Vorfreude und unausgesprochenem Grauen wartete (aus unerfindlichen Gründen sind die Geschenke, die am sehnlichsten gewünscht waren, meist die, die nicht funktionieren).
Ein kurzes kollektives Seufzen war zu hören, als die Kamera gehorsam das Pappkartonrechteck ausspie, wie die Gebrauchsanweisung es vorhergesagt hatte.
Am Gehäuse der Kamera befanden sich zwei von einem zickzackförmigen Blitz getrennte Lichtchen, ein rotes und ein grünes.
Als Kevin den Film einlegte, leuchtete das rote Licht auf. Es blieb ein paar Sekunden an. Die Familie beobachtete in stummer Faszination, wie die Sun 660 nach Licht schnupperte. Dann ging das rote Licht aus und das grüne fing rasch an zu blinken.
»Sie ist bereit«, sagte Kevin im selben um Beiläufigkeit bemühten, dabei aber nicht ganz erfolgreichen Tonfall, mit dem Neil Armstrong seinen ersten Schritt auf die Mondoberfläche bekanntgegeben hatte. »Warum stellt ihr euch nicht alle zusammen auf?«
»Ich mag es nicht, wenn mein Gesicht fotografiert wird!« schrie Meg und bedeckte das Gesicht mit der theatralischen Ängstlichkeit und Freude, wie sie nur Teenager und schlechte Schauspielerinnen fertigbringen.
»Komm schon, Meg«, sagte Mr. Delevan.
»Sei keine alberne Gans, Meg«, sagte Mrs. Delevan.
Meg ließ die Hände sinken, verwarf ihre Bedenken, und dann stellten sich die drei am Ende des Tisches auf mit dem verwüsteten Geburtstagskuchen im Vordergund.
Kevin sah durch das Suchfenster. »Ein bißchen näher zu Meg, Mom«, sagte er und winkte mit der linken Hand. »Du auch, Dad.«
»Ihr zerquetscht mich!« sagte Meg zu ihren Eltern.
Kevin legte den Finger auf den Auslöseknopf der Kamera, dann fiel ihm ein kurzer Absatz aus der Gebrauchsanweisung ein, wie leicht es war, den Fotografierten auf einem Foto den Kopf abzuschneiden. Ab mit den Köpfen, dachte er, und es hätte komisch sein sollen, aber aus irgendwelchen Gründen verspürte er ein leichtes Kribbeln am Ansatz der Wirbelsäule, das, ehe er es überhaupt richtig bemerkte, schon vergangen und vergessen war. Er hob die Kamera ein Stück. So. Jetzt waren sie alle im Rahmen. Gut.
»Okay!« sang er. »Lächelt und sagt Geschlechtsverkehr!«
»Kevin!« rief seine Mutter aus.
Sein Vater prustete vor Lachen, und Meg kreischte die Art irres Gelächter, das nicht einmal schlechte Schauspielerinnen fertigbringen; nur Mädchen im Alter zwischen zehn und zwölf bringen dieses spezielle Lachen zustande.
Kevin drückte den Auslöser. Das Blitzlicht, das von einer Batterie in der Kamera gespeist wurde, tauchte das ganze Zimmer einen Sekundenbruchteil in rechtschaffenes weißes Licht.
Meins, dachte Kevin, und das hätte der krönende Höhepunkt seines fünfzehnten Geburtstags sein sollen. Statt dessen brachte der Gedanke lediglich das seltsame schwache Kribbeln zurück. Dieses Mal deutlicher.
Die Kamera gab ein Geräusch von sich, etwas zwischen einem Quietschen und einem Surren, ein Geräusch, das sich gerade einer Beschreibung entzieht, den meisten Menschen aber bekannt ist: das Geräusch einer Polaroid, die etwas ausspuckt, das vielleicht keine Kunst ist, aber meistens nützlich, und stets augenblickliche Belohnung liefert.
»Laß sehen!« rief Meg.
»Mach nicht die Pferde scheu, Kleines«, sagte Mr. Delevan. »Sie brauchen ein bißchen Zeit zum Entwickeln.«
Meg betrachtete die starre graue Oberfläche, die noch nicht ganz ein Foto war, mit der ungeteilten Aufmerksamkeit einer Frau, die in eine Kristallkugel schaut.
Der Rest der Familie fand sich ein, und es herrschte dasselbe ängstliche Gefühl, welches s chon das Filmeinlegen begleitet hatte: ein Stilleben der amerikanischen Familie, die darauf
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