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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wartet, den angehaltenen Atem abzulassen.
    Kevin spürte, wie sich eine schreckliche Anspannung in seine Muskeln stahl, und diesmal stand außer Frage, es einfach zu ignorieren. Er konnte es nicht erklären aber es war da. Er konnte seinen Blick nicht von dem grauen Quadrat in dem weißen Rahmen wenden, der die Bildränder bilden würde.
    »Ich glaube, ich kann mich sehen!« rief Meg strahlend. Dann, einen Augenblick später: »Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, ich sehe «
    Sie verfolgten totenstill, wie sich das Grau verzog so wie angeblich der Nebel in der Kristallkugel einer Hellseherin verfliegt, wenn die Vibrationen oder Empfindungen oder was auch immer die richtigen sind und das Bild sichtbar wurde.
    Mr. Delevan war der erste, der das Schweigen brach.
    »Was ist das?« fragte er allgemein. »Eine Art Witz?«
    Kevin hatte die Kamera geistesabwesend zu nahe an der Tischkante abgelegt, damit er sehen konnte, wie sich das Bild entwikkelte. Meg sah das Bild und wich einen Schritt zurück. Ihr Gesichtsausdruck zeigte weder Angst noch Staunen, sondern lediglich schlichte Überraschung. Sie hob eine Hand, während sie sich ihrem Vater zuwandte. Diese Hand stieß gegen die Kamera und schubste sie vom Tisch auf den Boden. Mrs. Delevan hatte das Bild, das sich entwickelte, in einer Art Trance betrachtet, ihr Gesichtsausdruck war der einer Frau, die entweder zutiefst verwirrt ist oder den Beginn eines Migräneanfalls spürt. Als die Kamera auf dem Boden aufschlug, erschrak Mrs. Delevan. Sie stieß einen kurzen Schrei aus und zuckte zusammen. Dabei stolperte sie über Megs Fuß und verlor das Gleichgewicht. Mr. Delevan griff nach ihr und stieß dabei Meg, die immer noch zwischen ihnen war, wieder vorwärts, und zwar ziemlich kräftig. Mr. Delevan konnte seine Frau auffangen; dies gelang ihm sogar recht anmutig. Einen Augenblick hätten sie wahrhaftig einen hübschen Schnappschuß abgegeben: Mom und Dad, die zeigten, daß sie immer noch eine kesse Sohle aufs Parkett legen konnten, am Ende eines begnadeten Tangos, sie mit einer erhobenen Hand und weit nach hinten gekrümmtem Rücken, er in dieser zweideutigen männlichen Haltung über sie gebeugt, die man, unter Ausklammerung der Umstände, entweder als Sorge oder Lust interpretieren kann.
    Meg war elf und nicht so anmutig. Sie flog gegen den Tisch und stieß mit dem Bauch dagegen. Der Aufprall war so heftig, daß sie sich hätte verletzen können, aber sie nahm seit eineinhalb Jahren an drei Nachmittagen in der Woche Ballettunterricht beim CVJM. Sie tanzte nicht sehr anmutig, hatte aber Spaß am Ballett, und das Tanzen hatte glücklicherweise ihre Bauchmuskeln gestärkt, so daß sie den Zusammenstoß so wirksam abfangen konnten wie gute Stoß
    dämpfer die Schläge eines Autos auf einer Straße voller Schlaglö
    cher. Trotzdem hatte sie am nächsten Tag einen blauschwarzen Bluterguß unter der Hüfte. Dieser Bluterguß brauchte fast zwei Wochen, bis er erst purpurn und dann gelb wurde und dann verschwand wie ein Polaroidbild, nur umgekehrt.
    Im Augenblick, als dieser Unfall passierte, spürte sie es nicht einmal; sie stieß einfach gegen den Tisch und schrie auf. Der Tisch kippte. Der Geburtstagskuchen, der im Vordergund von Kevins erstem Bild mit der neuen Kamera stehen sollte, rutschte vom Tisch.
    Mrs. Delevan hatte nicht einmal mehr Zeit, ihr Meg, alles in Ordnung? zu fragen, als der Rest des Kuchens auch schon mit einem saftigen Pflatsch! auf die Sun 660 fiel und Zuckerguß über ihre Schuhe und den Sockel an der Wand spritzte.
    Der Bildsucher, der ganz mit Schokosahne beschmiert war, ragte wie ein Teleskop heraus. Das war alles.
    Alles Gute zum Geburtstag, Kevin.
    Kevin und Mr. Delevan saßen an diesem Abend auf dem Sofa im Wohnzimmer, als Mrs. Delevan hereinkam und mit zwei zusammengetackerten eselsohrigen Blättern winkte. Kevin und Mr. Delevan hatten beide offene Bücher auf dem Schoß (der Vater The Best and the Brightest; der Sohn ShootOut at Laredo), aber hauptsächlich starrten sie die Sun an, die, in Ungnade gefallen, inmitten eines Stapels Polaroidbilder auf dem Kaffeetisch lag. Alle Bilder schienen genau dasselbe zu zeigen.
    Meg saß vor ihnen auf dem Boden und sah sich eine Leihkassette im Videorecorder an. Kevin war nicht sicher, um was für einen Film es sich handelte, aber es liefen eine Menge Leute herum und schrien, daher ging er davon aus, daß es ein HorrorFilm war. Megan schwärmte davon. Beide Elternteile fanden das geschmacklos (speziell Mr.

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