Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Ansturm auf die volle Stunde genommen.
    Aber nicht deren Lärm hatte ihn geweckt, obwohl es möglich gewesen wäre, denn er war nicht oben in seinem Bett, sondern unten im eigentlichen Laden. Das Emporium Galorium war eine dunkle Höhle, in die eine Straßenlaterne von draußen lauernde Schatten projizierte, weil sie gerade genügend Licht durch das schmutzige Glas werfen konnte, um den unangenehmen Eindruck zu erwekken, als würden sich Wesen gerade außerhalb des Gesichtsfelds verstecken.
    Nicht die Uhren weckten ihn, sondern das Blitzlicht.
    Er stellte zu seinem Entsetzen fest, daß er im Pyjama neben der Werkbank stand und die Polaroid Sun 660 in der Hand hielt. Die
    >spezielle< Schublade stand offen. Er wußte, er hatte zwar nur ein einziges Bild gemacht, den Auslöserknopf aber immer wieder gedrückt. Er hatte viel mehr Bilder geschossen als das, welches vom Ausgabeschlitz herunterhing, und hatte nur Glück gehabt. Es war nur noch ein Bild auf dem Film gewesen, der sich momentan in der Kamera befand.
    Pop ließ die Arme sinken er hatte die Kamera in den vorderen Teil des Ladens gerichtet und den Bildsucher mit seinem haarfeinen Riß an ein offenes, schlafendes Auge gehalten , und als er sie auf Höhe der Rippen hatte, fingen sie an zu zittern, und die Muskeln, welche die Ellbogen angewinkelt hielten, gaben einfach den Geist auf. Seine Arme sackten herab, die Finger wurden schlaff, die Kamera purzelte mit einem Poltern in die >spezielle< Schublade zurück. Das Bild, das er gemacht hatte, glitt aus dem Schlitz und flatterte herab. Es landete auf dem Rand der Schublade, kippte erst in die eine Richtung, als wollte es der Kamera folgen, und dann in die andere. Es fiel auf den Boden.
    Herzanfall, dachte Pop zusammenhanglos. Ich werde einen verfluchten, unchristlichen Herzanfall bekommen.
    Er versuchte, den rechten Arm zu heben, weil er mit der Hand an dessen Ende die linke Brustseite massieren wollte, aber der Arm gehorchte nicht. Die Hand an seinem Ende baumelte so schlapp wie ein Toter am Galgenstrick. Die Welt verschwamm und wurde wieder klar. Das Schlagen seiner Uhren (die vorwitzigen darunter waren gerade fertig) verhallten zu fernen Echos. Dann ließen die Schmerzen in seiner Brust nach, das Licht schien wieder etwas stärker zu werden, und er merkte, daß er drauf und dran war, das Bewußtsein zu verlieren.
    Er wollte sich auf den Rollenstuhl hinter der Werkbank setzen, und der Vorgang des Hinsetzens fing, wie der Vorgang, die Kamera zu senken, auch durchaus gut an, aber ehe er noch den halben Weg zurückgelegt hatte, gaben auch die Scharniere nach, die seine Oberund Unterschenkel vermittels der Knie miteinander verbanden, und er setzte sich nicht auf den Stuhl, sondern machte einen Sturzflug darauf. Der Stuhl rollte dreißig Zentimeter vorwärts, stieß gegen eine Kiste voll alter Ausgaben von Life und Look und blieb stehen.
    Pop senkte den Kopf, wie man es tun sollte, wenn man sich schwindlig fühlte, und es verging einige Zeit. Weder da noch spä
    ter hatte er die geringste Ahnung, wieviel insgesamt. Es war sogar denkbar, daß er wieder ein Weilchen eingeschlafen war. Als er den Kopf hob, ging es ihm jedenfalls im großen und ganzen wieder gut.
    Er verspürte ein konstantes Pochen in den Schläfen und hinter der Stirn, wahrscheinlich weil er einen Blutstau in seinem verdammten Hirn hatte, nachdem dieses so lange nach unten gehangen war, aber er stellte fest, daß er aufstehen konnte, und wußte, was er zu tun hatte. Wenn das Ding eine derartige Macht über ihn hatte, daß es ihn dazu bringen konnte, im Schlaf zu wandeln, und ihn des weiteren dazu bringen konnte sein Verstand versuchte, das Wort zu vermeiden, vermochte es aber nicht , Bilder damit zu machen, dann war das genug. Er hatte keine Ahnung, was das verdammte Ding war, aber soviel stand fest: Man konnte keine Kompromisse damit machen.
    Zeit zu tun, was du den Jungen hättest tun lassen sollen.
    Ja. Aber nicht heute nacht. Er war erschöpft, schweißgebadet und zitterte. Er dachte, er würde den letzten Schnaufer tun, wenn er nur die Treppe zu seiner Wohnung hinaufging, geschweige denn den Vorschlaghammer schwang. Er dachte sich, daß er es hier drinnen machen konnte, indem er sie aus der Schublade holte und einfach immer wieder auf den Boden schlug, aber die Wahrheit sah anders aus, und er sollte sie sich besser eingestehen: Er konnte heute nacht nichts mehr mit dieser verdammten Kamera anstellen. Morgen würde noch Zeit genug sein, und bis dahin

Weitere Kostenlose Bücher