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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Splitter, den man sich tief in eine Pobacke gerammt hatte.
    »Ms. Lortz, haben Sie eine Videokassette von Nightmare on Elm Street Teil 5 in der Kinderbibliothek? Oder eine Auswahl von Platten von Guns n’ Roses oder Ozzy Osbourne?«
    »Darum geht es nicht, Sam«, begann sie geduldig.
    »Was ist mit Peyton Place? Haben Sie eine Ausgabe davon in der Kinderbibliothek, nur weil ein paar Kinder es gelesen haben?«
    Und noch beim Sprechen dachte er: Liest ÜBERHAUPT JEMAND diese alte Schwarte noch?
    »Nein«, sagte sie, und nun stellte er fest, daß ihre Wangen eine erboste Rottönung annahmen. Diese Frau war nicht daran gewöhnt, daß ihr Urteilsvermögen in Frage gestellt wurde. »Aber wir haben Bücher über Einbruch, Kindesmißhandlung und Diebstahl.
    Ich spreche natürlich von >Goldlöckchen und die drei Bären<, >Hänsel und Gretel< und >Jack und die Bohnenstangen Ich hätte gedacht, daß ein Mann wie Sie etwas einsichtiger ist, Sam.«
    Einem Mann, dem du aus der Klemme geholfen hast, wolltest du sagen, dachte Sam, aber scheiß drauf, Lady wirst du von der Stadt nicht genau dafür bezahlt?
    Dann riß er sich zusammen. Er wußte nicht genau, was sie mit
    »ein Mann wie er« meinte, und war nicht sicher, ob er es wissen wollte, aber ihm war klar, die Unterhaltung würde jeden Moment außer Kontrolle geraten und zu einem Streit werden. Er war hierhergekommen, weil er eine Auflockerung für seine Rede suchte, und nicht, um einen Streit mit der Chefbibliothekarin um die Kin
    derbibliothek vom Zaun zu brechen.
    »Wenn ich Sie in irgendeiner Form beleidigt habe, möchte ich mich dafür entschuldigen«, sagte er, »und jetzt sollte ich wirklich gehen.«
    »Ja«, sagte sie. »Das finde ich auch.« Ihre Entschuldigung wird nicht angenommen, telegrafierten ihre Augen. Sie wird nie und nimmer ange
    nommen.
    »Ich glaube«, sagte er, »ich bin wegen meines Rednerdebüts etwas nervös. Und ich habe bis spät in die Nacht daran gearbeitet.« Er lächelte sein altes gutmütiges SamPeeblesLächeln und nahm die Aktentasche hoch.
    Sie gab nach etwas, aber ihre Augen waren immer noch eingeschnappt. »Verständlich. Wir sind hier, um zu Diensten zu sein, und selbstverständlich sind wir immer an konstruktiver Kritik seitens der Steuerzahler interessiert.« Sie betonte das Wort konstruktiv kaum merklich, um ihn wissen zu lassen, vermutete er, daß seine alles andere gewesen war.
    Jetzt, wo es vorbei war, verspürte er den Drang fast das Bedürfnis , alles zu glätten wie die Steppdecke auf einem ordentlich gemachten Bett. Er vermutete, daß auch das zu den Gepflogenheiten eines Geschäftsmanns gehörte oder zu den Schutzmaßnahmen eines Geschäftsmanns. Ein seltsamer Gedanke kam ihm eigentlich sollte er heute abend über seine Begegnung mit Ardelia Lortz reden. Sie sagte mehr über Herz und Seele der Kleinstadt aus als seine ganze geschriebene Rede. Es war nicht alles schmeichelhaft, aber ganz bestimmt nicht trocken. Und dabei würde etwas deutlich werden, was man in den freitagabendlichen Reden im Rotary Club sehr selten zu hören bekam der unmißverständliche Klang der Wahrheit.
    »Nun, wir sind einen Moment regelrecht aneinandergeraten«, hörte er sich selbst sagen und sah, wie er die Hand ausstreckte. »Ich glaube, ich habe meine Grenzenüberschritten. Ich hoffe, Sie tragen es mir nicht nach.«
    Sie berührte seine Hand. Es war eine kurze, gezwungene Berührung. Kalte, glatte Haut. Irgendwie unangenehm. Als würde man einem Schirmknauf die Hand geben. »Überhaupt nicht«, sagte sie, aber ihre Augen erzählten wieder eine ganz andere Geschichte.
    »Nun denn ich gehe jetzt.«
    »Ja. Vergessen Sie nicht die hier nur eine Woche, Sam.« Sie hob einen Finger. Deutete mit einem ordentlich manikürten Nagel auf die Bücher, die er hielt. Und lächelte. Für Sam hatte dieses Lächeln etwas äußerst Beunruhigendes, aber er hätte es nicht genau benennen können, selbst wenn sein Leben davon abhängig gewesen wäre. »Ich möchte nicht den Bibliothekspolizisten hinter Ihnen herschicken müssen.«
    »Nein«, stimmte Sam zu. »Das möchte ich auch nicht.«
    »Richtig«, sagte Ardelia Lortz immer noch lächelnd. »Auf gar keinen Fall.«

    5

    Als er den Fußpfad entlanglief, fiel ihm das Gesicht des schreienden Kindes
    (Einfaltspinsel, sie nennen ihn Einfaltspinsel, ich finde das völlig normal, Sie nicht)
    wieder ein, und damit kam ihm ein Gedanke so einfach und logisch, daß er auf der Stelle stehenblieb. Es war folgender: Wenn sie die

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