Nachts
einer Pause: »Sie gehen zu den AA? Sie müssen nicht antworten, wenn Sie nicht wollen. Ich weiß, es geht mich eigentlich nichts an.«
»Ich gehe hin«, sagte Dave, »aber es ist schwer. Ich hab’ mehr weiße Chips als Carter Lebertabletten. Ich schaffe es einen Monat oder zwei, und einmal war ich fast ein Jahr lang trocken. Aber es ist schwer.« Er schüttelte den Kopf. »Manche Menschen kommen mit dem Programm nicht klar, sagen sie. Zu denen muß ich gehören.
Aber ich gebe nicht auf.«
Sams Augen wurden wieder zu der Frau mit dem Hähnchenteller gezogen. Das Bild war so detailliert, daß es keine Karikatur oder Skizze sein konnte, aber es war auch kein Gemälde. Dirty Dave hatte es eindeutig in aller Eile gemacht, aber er hatte die gütigen Augen und eine Andeutung von Humor um den Mund herum gut getroffen. Das Seltsamste war, die Frau kam Sam vage bekannt vor.
»Gibt es diese Frau wirklich?« fragte er Dave.
Daves Lächeln wurde breiter. Er nickte. »Das ist Sarah. Eine tolle Frau, Mr. Peebles. Ohne sie hätte dieses Haus hier schon vor fünf Jahren zugemacht. Sie treibt Geldgeber auf, wenn wir die Steuern nicht aufbringen können oder das Haus so herrichten sollen, daß es die Gebäudeinspektoren abnehmen. Sie nennt die Geldgeber Engel, aber in Wirklichkeit ist sie der Engel. Wir haben das Haus wegen Sarah so genannt. To mmy St. John hat sich natürlich bei dem Schild verschrieben, aber er hat es gut gemeint.« Dirty Dave verstummte einen Moment und betrachtete sein Plakat. Ohne aufzusehen fügte er hinzu: »Jetzt ist Tommy natürlich tot. Ist letzten Winter gestorben. Seine Leber hat’s nicht mehr gemacht.«
»Oh«, sagte Sam und fügte dann hilflos hinzu: »Das tut mir leid.«
»Nicht doch. Er hat’s überstanden.«
»Leckerschmecker!« rief Lukey aus und stand auf. »Leckerschmecker! Ist das nicht ein verdammter Leckerschmecker!« Er brachte sein Plakat zu Dave. Unter die orangefarbenen Krakel hatte er eine Monsterfrau gemalt, deren Beine in Haifischflossen übergingen, die, überlegte Sam, wohl Schuhe sein sollten. Auf einer Hand balancierte sie einen unförmigen Teller, auf dem etwas lag, das wie blaue Schlangen aussah. Mit der anderen hielt sie einen zylinderförmigen braunen Gegenstand umklammert.
Dave nahm Lukey das Plakat ab und untersuchte es. »Das ist gut, Lukey.«
Lukey fletschte die Lippen zu einem erfreuten Lächeln. Er deutete auf das braune Ding. »Schau mal, Dave! Die hat ‘nen abgefahrenen ScheißSlim Jim!«
»Tatsächlich. Ziemlich gut. Geh rein und schalt den Fernseher ein, wenn du willst. Raumschiff Enterprise fängt gleich an. Wie kommst du klar, Dolph?«
»Wenn ich blau bin, kann ich besser malen«, sagte Rudolph und gab Dave sein Plakat. Darauf war ein gigantischer Hähnchenschlegel zu sehen, Strichmännchen und frauen standen darum herum und sahen zu ihm empor. »Eine FantasyVariante«, sagte Rudolph zu Sam. Er sagte es einigermaßen trotzig.
»Gefällt mir«, sagte Sam. Doch Rudolphs Plakat erinnerte ihn an einen Cartoon im New Yorker, den er manchmal nicht verstehen konnte, weil er zu surrealistisch war.
»Schön.« Rudolph sah ihn eindringlich an. »Ganz sicher, daß Sie keinen Vierteldollar haben?«
»Ganz«, sagte Sam.
Rudolph nickte. »In gewisser Weise ist das gut«, sagte er. »Aber in anderer Hinsicht ist es echt wie ins Bett geschissen.« Er folgte Lukey nach drinnen, wenig später konnte man die Titelmelodie von Raumschiff Enterprise durch die offene Tür hören. William Shatner erzählte den Wermutbrüdern und Ausgebrannten der Angle Street, daß es seine Mission war, kühn dorthin zu gehen, wo nie ein Mensch gewesen war. Sam überlegte sich, daß einige Zuschauer bereits dort waren.
»Außer uns und ein paar AAs aus der Stadt kommt kaum jemand zu diesen Veranstaltungen«, sagte Dave, »aber wir haben wenigstens etwas zu tun. Lukey spricht kaum noch was, wenn er nicht grad malt.«
»Sie sind echt gut«, sagte Sam zu ihm. »Wirklich, Dave. Warum machen Sie nicht « Er verstummte.
»Warum mache ich was nicht, Mr. Peebles?« fragte Dave leise.
»Warum mache ich nicht etwas Geld mit meiner Begabung? Aus demselben Grund, weshalb ich keinen regelmäßigen Job habe. Ich war mit anderen Sachen beschäftigt, bis es zu spät war.«
Sam wußte nicht, was er darauf sagen sollte.
»Aber ich hab’s mal versucht. Haben Sie gewußt, daß ich die Lorillard School in Des Moines mit Stipendium besucht habe? Die beste Kunstakademie im Mittelwesten. Ich hab’ schon
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