Nachts
blieb noch einen Augenblick sitzen, wo er war, trommelte mit den Fingern auf den Küchentisch, stand dann auf, zog eine Jacke an und ging hinaus zum Auto.
Kapitel Fünf
ANGLE STREET (I)
1
Der Schildermaler hatte zweifellos die allerbesten Absichten gehabt, aber seine Rechtschreibung ließ zu wünschen übrig. Das Schild war an einem Verandabalken des alten Hauses an den Schienen festgenagelt und lautete:
ANGLE STREET
Da Sam keinerlei Ecken, Angles, in der Railroad Avenue sehen konnte sie war wie die meisten Straßen in lowa schnurgerade , ging er davon aus, daß der Schildermaler Angel Street gemeint hatte. Na und? Sam war der Meinung, daß die Straße der guten Ab
sichten durchaus in die Hölle führen mochte, die Leute, die aber versuchten, in dieser Straße Schlaglöcher aufzufüllen, trotzdem ein paar gute Worte verdienten.
Angle Street war ein großes G ebäude, in dem, vermutete Sam, Büros der Eisenbahngesellschaft untergebracht gewesen waren, als Junction City tatsächlich noch ein Knotenpunkt des Eisenbahnver
kehrs gewesen war. Heute wurden nur noch zwei Gleise benützt; beide verliefen in Ost WestRichtung. Alle anderen waren rostig und von Unkraut überwuchert. Die meisten Querbalken waren ab
handen gekommen und zweifellos von eben den Obdachlosen als Feuerholz verwendet worden, für die Angle Street da war.
Sam traf Viertel vor fünf ein. Die Sonne warf ein klägliches, spärliches Licht über die verlassenen Felder, die hier am Stadtrand be
gannen. Ein scheinbar endloser Güterzug rumpelte hinter den we
nigen Gebäuden hier draußen vorbei. Eine Brise war aufgekom
men, und als er das Auto geparkt hatte un d ausstieg, konnte er das rostige Quietschen des alten Schilds JUNCTION CITY hören, wel
ches über den verlassenen Bahnsteigen hin und her schwang, wo einst Passagiere die Züge nach St. Louis und Chicago bestiegen hat
ten sogar den alten Sunnyland Express, der auf dem Weg nach Westen zu den legendären Königreichen Las Vegas und Los Ange
les in ganz lowa lediglich in Junction City gehalten hatte.
Das Obdachlosenasyl war einmal weiß gewesen; jetzt präsen
tierte es sich in einem farblosen Grau. Die Vorhän ge an den Fenstern waren zwar sauber, aber müde und schlapp. Unkraut ver
suchte, auf dem asphaltierten Hof zu wachsen. Sam dachte, daß es dem Unkraut im Juli vielleicht gelingen würde, Fuß zu fassen, aber momentan fristete es ein ziemlich karges Dasein. Neben den ge
splitterten Stufen zur Veranda hinauf war ein altes rostiges Faß auf
gestellt worden. Auf einem zweiten Schild, das an einem anderen Balken festgenagelt war, stand die Botschaft: ALKOHOLVERBOT IN DIESER UNTERKUNFT!
WENN SIE EINE FLASCHE HABEN,
VOR BETRETEN HIER DEPONIEREN!
Er hatte Glück. Es war zwar Samstagabend und die Kneipen und Bierpinten von Junction City warteten, aber Dirty Dave war da und noch nüchtern. Er saß sogar mit zwei anderen Wermutbrüdern auf der Veranda. Sie waren damit bes chäftigt, irgendwelche Parolen auf große rechteckige Pappkartons zu malen, und dabei in unter
schiedlichem Maße erfolgreich. Der Typ, der am gegenüberliegen
den Rand der Veranda auf dem Boden saß, hielt sich mit der linken Hand das rechte Handgelenk, um einem schlimmen Zittern Einhalt zu gebieten. Dem in der Mitte lugte beim Arbeiten die Zungen
spitze aus dem Mund; er sah aus wie ein zu alt geratener Erstkläß
ler, der sich allergrößte Mühe gibt, einen Baum zu malen, der ihm einen Goldstern als Belohnung einbringt, den er Mama zeigen kann. Dirty Dave, der bei der Verandatreppe auf einem gesplitter
ten Schaukelstuhl saß, war zwar ganz locker, aber alle drei sahen zerknautscht, knittrig und verstümmelt aus.
»Hallo, Dave«, sagte Sam und ging eine Stufe hoch.
Dave sah auf, blinzelte und entbot ein schüchternes Lächeln.
Sämtliche Zähne, die er noch hatte, waren vorne. Beim Lächeln ent
blößte er alle fünf.
»Mr. Peebles?«
»Ja«, sagte er. »Wie geht es Ihnen, Dave?«
»Oh, ganz gut, denk ich. Ganz gut.« Er sah sich um. »He, ihr Typen. Sagt Mr. Peebles guten Tag! Er ist Anwalt!«
Der Bursche mit herausgestreckter Zungenspitze sah auf, nickte knapp und machte sich wieder über sein Plakat her. Ein langer Rotzfaden hing ihm aus dem linken Nasenloch.
»Eigentlich«, sagte Sam, »ist Grundstücksmaklerei mein Gewerbe, Dave. Maklerei und Versi «
»Hast du meinen Slim Jim?« fragte der Mann mit dem Zittern un
vermittelt. Er sah nicht auf, doch sein konzentriertes Stirnrunzeln wurde
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