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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zurückkehrt? Die Welt der Vernunft, wo so etwas nicht geschehen kann?
    »Ich ich ich «
    »Ich will deine erbärmlichen Entsssuldigungen nicht hören«, sagte der Bibliothekspolizist. Er klappte das Lederetui zu und steckte es in die rechte Tasche. Gleichzeitig griff er in die linke Tasche und zog ein Messer mit langer, scharfer Klinge heraus. Sam, der sich drei Sommer über das Geld fürs College als Lagerarbeiter verdient hatte, kannte es. Es war ein Kartonmesser. So ein Messer gab es zweifellos in jeder Bibliothek in Amerika. »Du hast bis Mitternacht Zeit. Und dann «
    Er beugte sich nach vorne und streckte das Messer in einer wei
    ßen, leichenähnlichen Hand aus. Die eiskalte Aura winterlicher Luft berührte Sams Gesicht und machte es gefühllos. Er versuchte zu schreien, brachte aber nur ein gläsernes Flüstern zustande.
    Die Messerspitze berührte die Haut an seinem Hals. Es war, als würde er von einem Eiszapfen gepiekst werden. Ein einziger Tropfen scharlachrote Flüssigkeit quoll heraus und gefror, eine winzige Perle aus Blut.
    » dann komme ich wieder«, sagte der Bibliothekspolizist mit seiner seltsam lispelnden Stimme. »Du sssolltessst besssser finden, wasss du verloren hassst, Sssam Peeblesss.«
    Das Messer verschwand wieder in der Tasche. Der Bibliothekspolizist richtete sich zu voller Größe auf.
    »Da wäre noch etwasss«, sagte er. »Du hassst Fragen gessstellt, Sam Peeblesss. Frag nicht mehr. Hassst du dasss versssstanden?«
    Sam versuchte zu antworten, brachte aber nur ein tiefes Grunzen heraus.
    Der Bibliothekspolizist bückte sich wieder herunter und schob kalte Luft vor sich her, wie der Bug einer Barke eine Eisscholle schieben mochte. »Missss dich nicht in Angelegenheiten ein, die dich nichtssss angehen. Hasssst du dasss verssstanden ?«
    »Ja!« kreischte Sam. »Ja!Ja!Ja!«
    »Gut. Denn ich werde dich beobachten. Und ich bin nicht allein.«
    Er drehte sich um sein Trenchcoat raschelte und schritt Richtung Ausgang durch die Küche. Für Sam hatte er keinen einzigen Blick mehr übrig. Beim Gehen trat er durch einen kleinen Flecken Morgensonne, und Sam sah etwas Wunderbares, Schreckliches: Der Bibliothekspolizist warf keinen Schatten.
    Er kam zur Hintertür. Er nahm den Türknauf. Ohne sich umzudrehen sagte er mit leiser, gräßlicher Stimme: »Wenn du mich nicht wiedersssehen willsssst, Sssam Peeblesss, finde diesssse Bücher.«.
    Er machte die Tür auf und ging hinaus.
    Ein einziger panischer Gedanke ging Sam durch den Kopf, als die Tür ins Schloß gefallen war und er die Schritte des Bibliothekspolizisten auf der Veranda hörte: Er mußte die Tür abschließen.
    Er kam halb auf die Beine, dann senkte sich das Grau über ihn, und er kippte bewußtlos nach vorne.
    Kapitel Zehn
    CHRONOLOGISCH GESPROCHEN
    1
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte die Empfangsdame. Die kurze Pause erfolgte, als sie den Mann, der sich ihrem Schreibtisch genä
    hert hatte, etwas genauer ansah.
    »Ja«, sagte Sam. »Ich möchte gerne einige ältere Ausgaben der Gazette durchsehen, wenn möglich.«
    »Selbstverständlich«, sagte sie. »Aber verzeihen Sie mir, wenn ich mich ungebührlich verhalte geht es Ihnen nicht gut, Sir? Sie sind ziemlich blaß.«
    »Ich glaube, ich habe mir etwas geholt«, sagte Sam.
    »Frühlingserkältungen sind die schlimmsten, was?« sagte sie und stand auf. »Kommen Sie durch die Klappe am Ende des Tresens, Mr.?«
    »Peebles. Sam Peebles.«
    Sie blieb stehen, eine dickliche Frau um die sechzig, und neigte den Kopf. Sie legte einen rotgefärbten Fingernagel an den Mundwinkel. »Sie verkaufen Versicherungen, nicht?«
    »Ja, Ma’am«, sagte er.
    »Ich dachte gleich, daß ich Sie kenne. Ihr Bild war letzte Woche in der Zeitung. War es wegen einer Art Preis?«
    »Nein, Ma’am«, sagte Sam. »Ich habe eine Rede vor dem Rotary Club gehalten.« Und würde alles tun, wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte, dachte er. Ich würde Craig Jones sagen, er soll m ich am Arsch lek
    ken.
    »Wie schön«, sagte sie, aber es hörte sich an, als hätte sie Zweifel.
    »Auf dem Bild haben sie ganz anders ausgesehen.«
    Sam kam durch die Klappe.
    »Ich bin Doreen McGill«, sagte die Frau und streckte eine feiste Hand aus.
    Sam schüttelte sie und sagte, wie erfreut er wäre, sie kennenzulernen. Es kostete ihn Anstrengung. Er glaubte, daß es ihn noch eine ganze Weile Anstrengung kosten würde, mit Leuten zu sprechen und ganz besonders, Leute zu berühren. Seine unbekümmerte Art schien dahin zu sein.
    Sie

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