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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kreise mit winzigen Schroteinschußlöchern zu sein.
    Sie waren von rosa Fleischwülsten gesäumt, die aussahen, als würden sie gleich zu bluten anfangen. Sie hatten keine Wimpern. Und am schlimmsten war das: Sam kannte dieses Gesicht. Er glaubte, daß er sich nicht zum erstenmal voller Entsetzen unter diesem schwarzen Blick duckte, und weit hinten in seinem Verstand hörte Sam eine schwach lispelnde Stimme sagen: Komm mit mir, Junge
    ich bin Poliziiissst.
    Die Narbe verlief genau so, wie Sam sie sich vorgestellt hatte, über die Geographie des Gesichts über die linke Wange, unter dem linken Auge, über den Nasenrücken. Abgesehen von der Narbe war es der Mann auf dem Plakat oder nicht? Sam war sich nicht mehr sicher.
    Komm mit mir, Junge ich bin Poliziiissst.
    Sam Peebles, der Liebling des Rotary Club von Junction City, machte sich in die Hose. Er spürte, wie sich seine Blase mit einem warmen Schwall entleeerte, aber das schien weit entfernt und unwichtig zu sein. Wichtig war, es befand sich ein Monster in seiner Küche, und das Schrecklichste an diesem Monster war, daß Sam fast sein Gesicht kannte. Sam spürte, wie eine dreifach verriegelte Tür weit hinten in seinem Verstand ächzte und aufgehen wollte. An Flucht dachte er nicht. Die Vorstellung von Flucht lag außerhalb seines Vorstellungsbereiches. Er war wieder ein Kind, ein Kind, das auf frischer Tat
    (das Buch ist nicht der Speaker’s Companion) bei etwas Schlimmem erwischt worden war. Statt wegzulaufen klappte er langsam
    (Das Buch ist nicht Best Loved Poems of the American People) über seiner nassen Leibesmitte zusammen, stürzte zwischen die beiden Hocker am Tresen und hielt blind die Hände über den Kopf.
    (das Buch ist)
    »Nein«, sagte er mit heiserer, kraftloser Stimme. »Nein, bitte
    nein, bitte, bitte tun Sie mir nichts, bitte, ich bin brav, bitte tun Sie mir nicht so weh.«
    Zu mehr war er nicht mehr fähig. Aber das spielte keine Rolle; der Gigant im nebelfarbenen Trenchcoat
    (das Buch ist Der schwarze Pfeil von Robert Louis Stevenson) stand jetzt unmittelbar über ihm.
    Sam ließ den Kopf sinken. Dieser schien tausend Pfund zu wiegen. Er sah auf den Boden und betete zusammenhanglos, wenn er hoch sah wenn er die Kraft zum Hochsehen hatte , würde die Gestalt fort sein.
    »Sssieh mich an«, befahl die ferne, pulsierende Stimme. Es war die Stimme eines bösen Gottes.
    »Nein«, schrie Sam mit kreischender, atemloser Stimme und brach dann in hilflose Tränen aus. Es war nicht nur Entsetzen, obwohl das Entsetzen echt und schlimm genug war. Hinzu kam, unabhängig davon, ein kalter, tiefer Schwall kindlicher Angst und kindlicher Scham. Diese Empfindungen klebten wie giftiger Sirup an dem, woran er sich nicht zu erinnern wagte, das etwas mit einem Buch zu tun hatte, das er nie gelesen hatte: Der schwarze Pfeil von Robert Louis Stevenson.
    Tschack!
    Etwas schlug gegen Sams Kopf; er schrie.
    »Sssieh mich an!«
    »Nein, bitte zwingen Sie mich nicht«, flehte Sam.
    Tschack!
    Er sah nach oben, schirmte die tränenden Augen mit einem Arm aus Gummi ab und sah gerade noch, wie der Arm des Bibliothekspolizisten wieder nach unten fuhr.
    Tschack!
    Er schlug Sam mit der zusammengerollten Ausgabe der Gazette, schlug ihn wie einen wehrlosen Welpen, der auf den Fußboden gepinkelt hat.
    »Schon besser«, sagte der Bibliothekspolizist. Er grinste, verzog die Lippen und entblößte spitze Zähne, die beinahe Hauer waren.
    Er griff in eine Tasche seines Trenchcoats und holte ein Lederetui heraus. Er klappte es auf und zeigte den seltsamen vielzackigen Stern. Er funkelte im klaren Morgenlicht.
    Jetzt konnte Sam den Blick nicht mehr von diesem unbarmherzigen Gesicht mit seinen silbernen Augen und den winzigen Schrotkugelpupillen abwenden. Er sabberte und merkte es, konnte aber auch das nicht verhindern.
    »Du hassst zwei Bücher, die unsss gehören«, sagte der Bibliothekspolizist. Seine Stimme schien immer noch aus weiter Ferne oder hinter einer dicken Glasplatte zu erklingen. »Missss Lorssss isssst ssssehr unsssufrieeden mit dir, Sssam Peeblessss.«
    »Ich habe sie verloren«, sagte Sam und fing an, noch mehr zu weinen. Der Gedanke, diesen Mann wegen
    (Der schwarze Pfeil)
    den Büchern anzulügen, überhaupt anzulügen, war absurd. Er war ganz Autorität, ganz Macht, ganz Gewalt. Er war Richter, Geschworener und Henker.
    Wo ist der Hausmeister? fragte sich Sam zusammenhanglos. Wo ist der Hausmeister, der die Skalen abliest und dann in die Welt der Vernunft

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