Nachtsafari (German Edition)
das bereits in sich zusammengefallen war, bescherte ihr einen neuen Übelkeitsanfall. Nervös stemmte sie sich von der Couch hoch, wollte sich an dem Sessel Napoleon de Villiers’ vorbeidrängen, blieb dabei mit dem langen Rock ihres Kleides hängen. Das zusammengerollte Foto fiel aus der Tasche, ihm genau vor die Füße.
De Villiers bückte sich automatisch, hob es hoch, machte schon Anstalten, es ihr zurückzugeben, als sein Gesicht auf einmal starr wurde. Mit fliegenden Fingern zog er eine Brille aus der Hemdtasche, setzte sie auf und studierte schweigend den großen, fetten Mann mit den Hamsterbacken, der direkt neben dem brennenden Holzhaufen stand.
Silke beobachtete ihn befremdet, doch angesichts der hasserfüllten Miene des alten Mannes spürte sie, wie der Zweifel in ihrem Herzen mit rasanter Schnelligkeit größer wurde, drohte, ihr die Luft abzudrücken. Ihre innere Unruhe steigerte sich zu nackter Panik.
De Villiers ließ das Foto sinken und sah sie an. »Woher haben Sie das?« Seine Stimme war heiser.
»Ich habe es an der Stelle gefunden, wo Marcus verschwunden ist«, krächzte sie. »Ich … ich wollte es schon wegwerfen, ich dachte, es wäre irgendein Foto … von einer Grillparty vielleicht …« Sie brach abrupt ab, als sie de Villiers’ Gesichtsausdruck bemerkte.
»Grillparty«, knurrte er und fletschte die Zähne. »Richtig! Das war’s. Eine Grillparty.« Er hielt Jill das Foto hin. »Sieh dir das an«, sagte er und zeigte auf den Dicken mit den Hamsterbacken.
Jill nahm das Foto und warf einen Blick darauf. Schlagartig wich ihr das Blut aus dem Gesicht, ihre Hand zitterte. Sekundenlang starrte sie auf die abgebildete Gruppe.
Silke bemerkte es und brach in Schweiß aus. Was gab es auf diesem Foto zu sehen, das Jill und de Villiers so erschreckte?
»Len Pienaar«, flüsterte Jill.
Nils nahm ihr das Bild aus der Hand. Konzentriert studierte er den großen Mann. Dann nickte er grimmig. »Len Pienaar.« Er legte seiner Frau eine Hand auf den Nacken. »Ganz ruhig«, sagte er leise. »Der Kerl ist tot. Er kann dir nichts mehr tun.«
Jill nickte stumm. Nils betrachtete die abgebildeten Personen noch einmal und musterte erstaunt den jungen Mann, der so verkrampft links neben dem riesigen Kerl stand, genauer. »Gib mir mal deine Brille, Nappy«, sagte er und streckte de Villiers die Hand hin. Der gab sie ihm kommentarlos, und Nils benutzte sie als Lupe. Dann hielt er Silke das Bild hin.
»Hier, sieh dir das an. Das ist, wenn mich nicht alles täuscht, dein Marcus. Der mit dem Schlapphut.« Er tippte mit dem Finger aufs Foto. »Zumindest erinnert er mich sehr an deinen Verlobten. Jünger, dünner, aber das könnte er doch sein, oder?« Sein Ton enthielt einen massiven Vorwurf.
Mit schweißnassen Händen nahm ihm Silke das Foto ab, musste sich zwingen hinzusehen. Schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen, das Gesicht auf dem Foto verschwamm, und obwohl sie es nicht sicher bestätigen konnte, gab es für sie keinen Zweifel. Die Ähnlichkeit mit Marcus war frappierend. Seine Figur, die Art, wie er den Kopf hielt, die geraden Schultern. Der junge Mann musste Marcus sein.
Marcus, der behauptete, noch nie in Südafrika gewesen zu sein. Marcus, der Sohn von Henri Bonamour.
»O Gott«, war alles, was sie hervorbrachte. Ihr rutschte das Foto aus der Hand, ihre Knie gaben nach. Sie fiel zurück auf die Couch. In ihrem Kopf breitete sich sirrende Leere aus. »Ich glaube, der Kerl, der Marcus entführt hat, hat es verloren«, wisperte sie, »es muss eine Erklärung geben …«
De Villiers’ Hände waren geballt, er trug anscheinend einen heftigen Kampf mit sich aus. Schließlich schien er zu einem Resultat gekommen zu sein. Er richtete seinen Blick auf Silke. »Wenn das wirklich Marcus Bonamour, der Sohn des Hangmans, ist«, sagte er langsam, »ist die Erklärung einfach. Der Hangman verkörperte das Apartheidsystem, er wird seinem Sohn nachdrücklich seine Weltanschauung vermittelt und dafür gesorgt haben, dass der in die Armee geht, um Leute wie mich zu foltern und zu töten. Mit Enthusiasmus.«
»Quatsch! Marcus doch nicht«, fuhr Silke ihn an, aber ihre Stimme schwankte.
Chrissie bückte sich nach dem Bild und betrachtete es ihrerseits mit zusammengezogenen Brauen. Ihre Augen weiteten sich. »Und das bist du«, flüsterte sie. »Der, der da vorne kniet. Das bist doch du.«
»Ja«, sagte Napoleon de Villiers ausdruckslos. »Das bin ich, und der Mann, der da auf dem Boden liegt, ist Mandla.« Er
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