Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
Ungeheuerlichkeit verdächtigt. Er kann so etwas unmöglich getan haben … unmöglich. Ich kenne ihn. Und er ist nicht hier, um sich zu verteidigen.«
    Napoleon hatte wieder in seinem Sessel Platz genommen. »Dann lassen Sie mich mal erklären, wer Henri Bonamour wirklich ist, junge Dame.«
    Silke wollte schon hochfahren bei dieser gönnerhaften Anrede, aber er brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Im Südafrika der Apartheid wurde dieser Mann nur der Hanging Judge genannt«, begann er. »Hangman Bonamour. Ich glaube, Sie verstehen genug Englisch, um das übersetzen zu können?« Er wartete Silkes Antwort nicht ab. »Ich war gegen die Apartheid, schon immer, seit ich wusste, was dieses Wort bedeutet. Irgendwann bin ich in den Untergrund gegangen, bis ein mieses Schwein von einem Polizeispitzel in unseren Reihen mich verraten hat. Ich wollte meine Mutter besuchen, die sterbenskrank war, und sie haben mich an ihrem Bett erwischt, verhaftet und eingelocht.« Er nahm seine Pfeife und drehte sie in den Fingern. Dann legte er sie zurück auf den Tisch.
    »Der Staat hatte damals ein cleveres System«, fuhr er fort. »Auf d en vagen Verdacht hin, dass man in Aktivitäten gegen den Staat verwickelt war, wurde man für einhundertachtzig Tage ins Gefängnis geworfen, durfte keinen Kontakt zur Familie oder einem Rechtsbeistand haben. Was im Gefängnis passierte …« Seine Stimme verrann, und jeder im Raum hatte den gleichen entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht. Nach einer Weile atmete Napoleon tief durch, als er weitersprach, spürte man wieder seine Stärke.
    »Nach einhundertachtzig Tagen wurde ich freigelassen, durfte ein paar Schritte in die Freiheit, in den strahlenden afrikanischen Sonnenschein machen und wurde dann prompt für weitere einhundertachtzig Tage inhaftiert. Das wiederholten sie ein paarmal.« Napoleon de Villiers schwieg kurz, und niemand wagte zu atmen. »So lange, bis die Hölle zufriert«, flüsterte er schließlich. »Das pflegten der damalige Generalstaatsanwalt und sein Hangman zu bemerken.«
    Er starrte auf seine Buschstiefel. Die Stille im Raum hätte man mit Messern schneiden können.
    »Eines Tages haben sie für einen Moment nicht richtig aufgepasst, und ich bin abgehauen. Das war das erste Mal. Ein paar Jahre konnte ich mich verstecken, habe keine Nacht im selben Bett verbracht, aber dann haben sie mich wieder eingefangen.« Gedankenversunken spielte er erneut mit seiner kalten Pfeife, ließ sie zwischen den Fingern wirbeln, rasend schnell. Unvermittelt fing er sie und steckte sie zwischen die Zähne.
    »Das Dumme war nur, dass sie inzwischen das Hundertachtzig- Tage-Gesetz gekippt und durch den Terrorism Act ersetzt hatten«, fuhr er fort. »Dieser Erlass erlaubte der Special Branch, Personen in Haft zu halten, bis ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet waren und es keinen weiteren Zweck erfüllte, die Personen festzuhalten. Den Typen von der Special Branch war das Spielchen mit den einhundertachtzig Tagen – erst freilassen, dann wieder einfangen – einfach zu umständlich geworden.«
    Er nahm die Pfeife aus dem Mund, ein grimmiges Lächeln spielte um seine vollen Lippen. »Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass dieser Zeitpunkt nie eintrat. Viele Leute verschwanden einfach, niemand wusste, wohin. Oder sie rutschten – so die offizielle Version – im Bad auf einem Stück Seife aus und zogen sich dabei eine tödliche Kopfverletzung zu. Es musste unglaublich viele Seifenstücke in den Polizeizellen gegeben haben. Wenn sie nicht auf der Seife ausrutschten, wurden sie aus dem siebten Stock im Polizeipräsidium geworfen. Selbstmord, hieß es dann«, sagte de Villiers und fixierte Silke, die sich unter seinem Blick wand. »Sie haben mich hinter Gitter gebracht, und dann haben sie Anklage erhoben. Kein Wort davon stimmte. Aber am Ende hat mich der Hangman zum Tode verurteilt.«
    Immer noch hielt er Silke mit seinem Blick fest. Sie wollte aus dem Zimmer fliehen, konnte aber keinen Muskel rühren. Hilflos, wie gelähmt, saß sie da und ließ den Horror über sich ergehen.
    Keiner der anderen gab auch nur einen Laut von sich. Chrissie hatte die Hand ihres Mannes ergriffen und presste sie gegen ihre Brust. Napoleon de Villiers war unter seiner tiefen Bräune grünlich fahl geworden.
    »Wisst ihr, wie sich das anfühlt, wenn man deinem Leben ein Ende setzt? Wenn du die Minuten zählen kannst, bis du am Strick zappelst?«, wisperte er. »Ich kann es euch sagen. Du pinkelst dir als

Weitere Kostenlose Bücher