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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Zeigefinger fuhr er am Geschriebenen entlang, und es dauerte, ehe er die Eintragungen überflogen hatte.
    Marcus hielt die Luft an und starb tausend Tode.
    »Wir haben ihre Wunden versorgt und sie wegen ihrer Rauchvergiftung behandelt …«, sagte der Doktor und las schweigend weiter. Endlich lächelte er Marcus an.
    »Sie hat unglaubliches Glück gehabt und, wie ich von ihrer Begleiterin erfahren habe, einen Schutzengel mit dem merkwürdigen Namen Hellfire.« Er klappte den Notizblock zu und warf ihm einen neugierigen Blick zu. »Keine Angst, sie wird wieder ganz gesund, und dem Kind ist nichts passiert.«
    Marcus sackte das Blut in die Beine. War es doch nicht Silke, sondern irgendeine andere Frau? Für Sekunden trudelte er einem schwarzen Abgrund entgegen. »Welches Kind?«, wisperte er schließlich.
    Der Arzt musterte ihn mit freundlichem Spott. »Ihre Frau ist schwanger. Im zweiten Monat. Wussten Sie das nicht? Nein, offensichtlich wussten Sie das nicht.« Er legte die Hand auf den Türgriff. »Ich glaube, Sie überzeugen sich besser selbst. Aber nur fünf Minuten, dann muss sie schlafen. Verstanden?«
    Marcus nickte. Sprechen konnte er nicht.
    Der Arzt grinste fröhlich und steckte den Kopf ins Krankenzimmer. »Sehen Sie mal, wer gekommen ist«, hörte Marcus ihn rufen.
    Und dann stand er vor Silkes Bett und brachte keinen Ton hervor, weil ihm die Tränen aus den Augen stürzten und er hemmungslos schluchzte. Er sah hinunter auf seine Silky. Arme und Beine waren dick verbunden, ihr Kopf ebenfalls, aus dem Verband ragten ein paar abgesengte, kurze Haarbüschel, als wäre sie in der Mauser. Ihr Gesicht war frei und bis auf den Kratzer, den ihr der Raubadler zugefügt hatte, unverletzt. Und ihre Augen leuchteten blau wie wilde Kornblumen. Ihm wurden die Knie weich.
    Silke starrte ihn sprachlos an.
    Als das Schweigen zu lange andauerte, warf der Arzt über den Brillenrand einen argwöhnischen Blick auf Marcus. »Das ist doch Ihr Mann?«, fragte er Silke mit hochgezogenen Augenbrauen. »Oder soll ich den Sicherheitsdienst rufen?«
    Kindergelächter schwebte im warmen Wind durchs offene Fenster herein, der Duft von frisch gemähtem Gras hing in der Luft, kristallklar stiegen die Flötentöne eines liebeskranken Rot flügelstars in den Himmel. Es war ein Augenblick, so schimmernd, dass er die Sonne mit seinem Glanz überstrahlte.
    Silke brachte noch immer keinen Laut hervor. Doch ganz allmählich, wie eine sanfte Welle, breitete sich ein rosiges Leuchten auf ihrem Gesicht aus. »Hallo«, flüsterte sie. »Hallo«, sagte sie noch einmal, und in diesem einen Wort lag alles, was er zu hören gehofft hatte.
    Langsam streckte sie ihm ihre bandagierte Hand entgegen, und Marcus nahm sie zwischen seine, als wäre sie das Kostbarste auf dieser Welt. Auch er bekam kein Wort hervor, zog ihre Hand an die Lippen und küsste die Fingerspitzen, die aus dem dicken Ver band ragten. Das Leuchten in Silkes Augen hüllte ihn ein, der Rest der Welt hörte auf zu existieren.
    »Komm, Thandowethu, bring mich in mein Zimmer, die wollen allein sein«, drang die schwarze Stimme an sein Ohr.
    Er wandte sich um, und erst jetzt bemerkte er den Mann, der in der Nähe des großen Fensters im Rollstuhl saß. Im ersten Moment meinte er, eine Mumie vor sich zu haben. Hände, Oberkörper und Beine des Mannes waren bandagiert, auch sein Kopf war mit weißen Binden umwickelt. Aber seine funkelnden, schwarzen Augen und das breite Lächeln waren sichtbar. Hinter ihm stand eine Frau, eine Weiße, in Arbeitskleidung, wie sie Farmer trugen. Kurzärmeliges Hemd, lange Bermudashorts, feste Schuhe. Alles war mit getrocknetem Schlamm und schmierigem Ruß bedeckt.
    »Gut, wir kommen später wieder«, sagte sie, beugte sich zu Silke hinunter und streichelte ihr zärtlich die Wange.
    »Siehst du, Silke, ich hab’s dir doch immer wieder gesagt, alles wird gut, du musst nur fest daran glauben«, flüsterte sie ihr zu und löste die Bremse von dem Rollstuhl. Marcus nickte sie knapp und wortlos zu.
    »Ngikufisela inhlanhla!«, sagte der Mann im Rollstuhl zu Silke. »Sizokubona. Kusasa.«
    Fragend sah Silke die Frau an. »Greta?«
    »Er wünscht euch Glück und sagt, dass wir euch morgen besuchen«, erklärte diese mit dem verschmitzten Lachen eines Kobolds.
    »Was antworte ich darauf?«, fragte Silke.
    »Yebo, yabonga kakhulu«, sagte der Zulu mit der schönen Stimme.
    Silke sprach es ihm langsam nach, und ihr strahlendes Lächeln spiegelte sich in dem dunklen

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