Nachtsafari (German Edition)
betonte den Namen auf der zweiten Silbe. »Und es war eine Grillparty, da hat Silke durchaus recht, und Mandla und ich waren die einzigen geladenen Gäste von Len Pienaar.«
Jill sog scharf die Luft ein. Auch auf den Gesichtern der anderen malte sich blankes Entsetzen.
Chrissie deutete auf den jungen Mann neben dem grobschlächtigen Dicken, den Nils für den Sohn des Hanging Judge hielt.
»Und der Junge da, hast du ihn dir genau angesehen? Hast du damals gewusst, dass es dieser Marcus ist? Der Sohn von Henri Bonamour?«
Ihr Mann setzte seine Brille wieder auf. »Der? Kann ich nicht genau erkennen. Das Licht hier ist lausig. Muss ich mir bei Sonnenschein ansehen.«
Nils langte wortlos in seine Tasche, zog sein Mobiltelefon heraus, schaltete das grelle Fotolicht ein und reichte de Villiers das Gerät. »Damit wird’s gehen.«
Mit angestrengtem Stirnrunzeln betrachtete Napoleon de Villiers das Foto eingehend. »Ich kann’s trotzdem nicht ordentlich erkennen. Der junge Mann sieht aus wie Twani. Das Kind, so nannten wir ihn. Er war noch nicht trocken hinter den Ohren, viel zu jung für den Krieg.« Er linste angestrengt durch seine Brille. »Ja, das ist Twani. Jetzt erinnere ich mich auch an diese Szene. Pienaar hatte von dem Jungen verlangt, dass er einen Gefangenen erschießen sollte. Vermutlich, damit der Kleine auch Dreck am Stecken hatte, mit dem er erpressbar sein würde, wenn’s notwendig war. So tickte dieser Pienaar. Aber Twani war ein unerfahrener, verwöhnter Bursche, der vermutlich sein bisheriges Leben zwischen Cricketplatz und Strandpartys verbrachte hatte.« Er grinste geringschätzig. »Er hatte ziemlich naive Vorstellungen v on der Welt, aber um die Geschichte kurz zu machen, Twani versuchte, statt des Gefangenen Pienaar umzulegen. Das wäre ihm auch gelungen, wenn nicht einer der Typen, die sich Pienaar wie eine Meute Hunde als Schutz hielt, ihm die Pistole aus der Hand und ihn zu Boden geschlagen hätte. Darauf hat Pienaar sich halb totgelacht und Twani mithilfe seiner Handlanger festgehalten, seine Hand um die Pistole gedrückt und den armen Kerl erschossen.«
De Villiers’ Blick war abwesend, seine Miene gequält. »Twani hat danach stundenlang nicht aufgehört zu kotzen. Als er nichts mehr drin hatte, wollte er fliehen, aber Pienaar fing ihn ein und kettete ihn wie ein Hündchen schlicht ans Lenkrad seines schönen neuen Casspirs.«
»Das ist ein gegen Minen geschützter, gepanzerter Truppentransporter«, raunte Alastair Farrington Silke ins Ohr.
Silke hatte das Gefühl, als drückte man ihr zunehmend die Luft ab. Antworten konnte sie nicht.
Chrissie räusperte sich hart. Sie deutete auf den Dicken, der dicht neben dem jungen Mann stand. »Aber hier scheint dieser Twani doch mitzumachen. Sieh mal, wie Pienaar ihn förmlich umarmt.«
»Umarmt?«, wiederholte ihr Mann. »Mitnichten. Dieser Schweinehund hält dem Jungen eine Pistole in den Rücken. Er zwang ihn zuzusehen, wie man uns … wie wir …« Er atmete schwer. »Nun, der Kleine war eindeutig nicht freiwillig dabei«, vollendete er den Satz schnell.
»Was meinst du damit?«, wisperte Chrissie. »Wobei sollte er zusehen?«
Napoleon de Villiers packte die Hand seiner Frau und presste sie fast blutleer. Seine Augen glühten wie schwarze Kohlestücke. Ihm war die Anstrengung anzusehen, die es ihn kostete weiterzusprechen. »Er sollte dabei zusehen, wie man uns brät. Auf dem Scheiterhaufen. Wie eine Leichenverbrennung in Indien. Nur waren wir noch keine Leichen.«
Totenstille folgte diesen Worten. Silke starrte ihn an, konnte nicht glauben, was sie gehört hatte. Erst langsam sickerte das, was Napoleon gesagt hatte, in ihr Bewusstsein. Sie schluckte trocken. Tränen stürzten ihr aus den Augen.
»Er …«, stammelte sie. »Marcus hat nicht …« Sie kam nicht weiter, fing an zu hyperventilieren.
De Villiers reagierte ungläubig. »Sie meinen, das ist Ihr Marcus? Sind Sie sich da wirklich ganz sicher?« Sein Ton war schroff, seine Zweifel unübersehbar.
Als Silke jedoch nur stumm nickte, steckte er die kalte Pfeife zwischen die Zähne und kaute heftig darauf herum. Es war offen sichtlich, dass es ihm schwerfiel, ihre Aussage als Tatsache zu akzeptieren. Es dauerte einige Zeit, ehe er weiterredete. »Wenn Twani tatsächlich mit Ihrem Marcus Bonamour identisch sein sollte – und ehrlich gesagt, glaube ich das nicht für einen Moment, Twani kann nicht der Sohn des Hangman gewesen sein … Haben Sie ein Foto von Ihrem Marcus?«,
Weitere Kostenlose Bücher