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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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aus, und ihre Augen waren rot. Ihre Miene gab genau wieder, wie Brynn sich fühlte.

    Sie schlängelten sich mehrere lang gezogene Hänge hinauf. Michelle lächelte und zeigte auf den Horizont. Brynn sah dort oben abermals Scheinwerfer aufblitzen.
    Welch himmlische Verheißung.
    Sie schätzte das letzte Hindernis ein: einen hohen felsigen Hügel, dessen rechte Seite unmittelbar in die dreißig Meter tiefe Schlucht überging. Links erstreckte sich ein Brombeerdickicht bis zu einer Folge von weiteren hohen Felsvorsprüngen.
    Sie konnten den Hügel nicht direkt in Angriff nehmen; vor ihnen ragte eine zwölf bis fünfzehn Meter hohe, senkrechte Wand auf. Aber links davon, oberhalb des Dickichts, führte ein schmales Sims nach oben, offenbar genau zu einer Lichtung und weiter zur Interstate. Die Steigung war beachtlich, aber zu bewältigen. Anscheinend handelte es sich dabei um einen beliebten Ausgangspunkt für Felskletterer, denn in der Wand über dem Sims steckten zahllose Metallbolzen, wie Brynn sie zuvor schon gesehen hatte.
    Das Sims gab ihr aus zwei Gründen zu denken. Zunächst mal würden sie dort während des etwa fünf Minuten dauernden Aufstiegs weithin zu sehen sein. Außerdem war es sehr schmal - sie mussten eine hinter der anderen gehen, und ein Sturz würde zwar nicht besonders tief ausfallen, aber in einem dichten Gestrüpp enden, in dem es auch Berberitzen gab. Brynn kannte diese Sträucher aus Grahams Gärtnerei. Sie waren bei seinen Kunden beliebt, denn an ihnen wuchsen ausgesprochen hübsche Beeren, und im Herbst nahmen sie leuchtende Farben an, aber die Evolution hatte sie darüber hinaus mit dünnen, brüchigen Dornen ausgestattet. Nach dem Frost des Winters waren diese Äste nun völlig ohne Laub, und die Dornen ragten wie ein heimtückisches Stachelkleid in alle Richtungen.
    Aber sie mussten das Risiko eingehen, beschloss Brynn. Es blieb keine Zeit, sich nach Alternativrouten umzusehen.

    Außerdem hatten Hart und sein Partner sich zum Glück bergabwärts gewandt, nachdem sie den Frauen bei der umgestürzten Eiche so unglaublich nahe gekommen waren.
    »Ich will endlich nach Hause«, murmelte Brynn, und sie machten sich an den Aufstieg.

68
    Graham und Munce bewegten sich leise und vorsichtig auf die Stelle zu, an der der Mann mit dem Gewehr ins Gebüsch verschwunden war.
    Munce blieb stehen und hob die Hand. Dann neigte er den Kopf und suchte das Gelände ab, wobei die Mündung seiner Schrotflinte stets seiner Blickrichtung folgte.
    Graham wünschte, er hätte auf einer eigenen Waffe bestanden. Das Klappmesser in seiner Tasche würde hier kaum von Nutzen sein. Er dachte daran, den Deputy um dessen Pistole zu bitten. Doch er wagte es nicht, ein Geräusch zu machen. Keine zehn Meter vor ihnen raschelten Äste und trockene Blätter, als der unsichtbare Verdächtige durch das Unterholz schlich.
    Ein Zweig knackte. Dann noch einer.
    Grahams Herz schlug ihm bis zum Hals. Er zwang sich, leise zu atmen. Sein Unterkiefer bebte. Munce hingegen schien sich ganz in seinem Element zu befinden. Er wirkte selbstsicher und bewegte sich gezielt weiter. Als hätte er das schon tausendmal gemacht. Er duckte sich und deutete auf eine Nische in einem großen Felsen. Graham verstand und nickte; er sollte dort warten. Der Deputy griff einmal kurz nach seiner Pistole, als wolle er sich von ihrem korrekten Sitz überzeugen, nahm dann die Schrotflinte mit beiden Händen und ging langsam weiter. Dabei
behielt er den Kopf oben und sah sich fortwährend um, spürte Äste und Blätter aber rechtzeitig, um ihnen vollständig ausweichen zu können.
    Auf der anderen Seite der Büsche ertönten weitere Schritte. Graham sah angestrengt hin, konnte aber niemanden ausmachen. Das Geräusch war jedoch deutlich zu erkennen; der Mann ging umher und blieb gelegentlich stehen.
    Munce bewegte sich vollkommen lautlos auf den Killer zu.
    Etwa sechs Meter vor dem Gebüsch hielt er inne, neigte den Kopf und lauschte.
    Die Schritte auf der anderen Seite waren immer noch zu hören; die Männer versuchten gar nicht erst, leise zu sein. Sie wussten nicht, dass sie von Jägern zu Gejagten geworden waren.
    Munce schlich weiter.
    Da trat der Mann mit der Schrotflinte keine zwei Meter hinter Munce aus dem Schutz eines Baumes hervor und schoss den Deputy in den Rücken.
    Munce schrie auf und wurde nach vorn geschleudert. Die Waffe flog ihm aus der Hand.
    Graham stockte vor Entsetzen der Atem. O Gott, o mein Gott.
    Der Angreifer hatte kein Wort gesagt.

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