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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Felsvorsprung.
    Oh, wie sehr er diese Waffe haben wollte!
    Die Männer hatten den Felsen auf der anderen Seite umrundet und Graham nicht bemerkt. Dann waren sie im Wald verschwunden. Als er sie nicht mehr hören konnte, war Graham aufgestanden und geduckt zum Rand der Schlucht gelaufen.

    Konnte er hinunterklettern und die Schrotflinte holen?
    Ach, verflucht, er würde es auf jeden Fall versuchen. Er kochte vor Wut. Noch nie im Leben hatte er sich etwas so sehr gewünscht, wie diese Waffe in die Finger zu bekommen.
    Er kniff die Augen zusammen, musterte die Felswand und glaubte genügend Tritt- und Griffmöglichkeiten zu erkennen, um ein Sims erreichen und von dort aus die Schrotflinte greifen zu können.
    Beeilung. Na, mach schon.
    Keuchend wandte er der Schlucht den Rücken zu und schob sich über die Kante. Dann tastete er sich nach unten. Einen Meter, zwei. Dann drei. Schneller wagte er es nicht. Falls er abrutschte, würde er von dem Vorsprung abprallen und die steile, teils senkrechte Schlucht hinabstürzen, bis er unten im Wasser landete. Die weißen Schaumkronen zeugten davon, dass dort im Flussbett jede Menge Felsen lagen.
    Vier Meter.
    Er sah hinab.
    Ja, da war die Schrotflinte. Sie ragte gefährlich weit über den Rand des Felsens hinaus. Graham verspürte den panischen Impuls, sofort danach zu greifen, bevor ein Windstoß sie in die Tiefe beförderte. Er kletterte weiter, so nah heran wie möglich. Schließlich befand er sich auf einer Höhe mit der Waffe, wenngleich etwa anderthalb Meter links davon. Graham hatte gedacht, er könne sich nun seitlich auf sie zubewegen, aber was wie kleine Trittnischen ausgesehen hatte, war bloß dunkler Fels.
    Er atmete tief durch und drückte sein Gesicht gegen einen kalten, glatten Stein. Los jetzt, forderte er sich wütend auf. Du bist schon so weit gekommen.
    Er hielt sich an einem dünnen Schössling fest, der aus einem Riss der Klippe wuchs, und streckte die andere Hand nach der Schrotflinte aus. Er reichte bis auf zwanzig Zentimeter an sie heran - die schwarze Mündung zeigte genau auf ihn.
    Unten rauschte das Wasser.

    Graham seufzte frustriert auf. Bloß ein paar Zentimeter. Nun aber!
    Er glitt mit der Hand weiter den Schössling entlang und holte mit der Rechten kraftvoll Schwung. Diesmal fehlten nur noch fünf Zentimeter.
    Er wagte sich noch weiter vor und versuchte es ein drittes Mal.
    Ja! Seine Finger legten sich um den Lauf.
    Jetzt bloß …
    Der Schössling brach unter dem Gewicht, und Graham rutschte ein Stück zur Seite, nur noch gehalten von einem dünnen Strang aus Holz und Rinde. Er schrie auf und versuchte, die Waffe nicht loszulassen, aber sie rutschte ihm aus den schweißnassen Fingern und fiel in die Tiefe, prallte drei Meter unter ihm von einem weiteren Vorsprung ab und wirbelte bis hinunter in den Fluss.
    »Nein!« Verzweifelt sah er die Schrotflinte im schwarzen Wasser verschwinden.
    Doch ihm blieb keine Zeit, sein Pech zu beklagen. Der Schössling riss vollständig ab, und Graham packte den Felsvorsprung. Leider konnte er sich nur zehn Sekunden festhalten. Dann rutschte er ab und fiel - auf nahezu der gleichen Flugbahn wie zuvor die Schrotflinte, die zu erreichen er sich so sehr gewünscht hatte.

72
    Sie würden es nie und nimmer rechtzeitig bis zum Highway schaffen, erkannte Brynn.
    Bestürzt schüttelte sie den Kopf. Als die Schrotflinte losging, waren sie von dem Sims auf die Lichtung gesprungen, aber
Brynn hatte die Entfernung bis zu den Bäumen unterschätzt. Der Waldstreifen am Rand der Interstate lag mindestens dreihundert Meter entfernt. Das Gelände war eben. Hier gab es nur hellgelbes Riedgras, Heidekraut, ein paar Schösslinge und einige verkohlte Baumstümpfe. Brynn erinnerte sich, dass es hier vor einem Jahr einen Waldbrand gegeben hatte.
    Für die Überquerung der Freifläche würden sie zehn Minuten benötigen, und die Männer würden viel früher hier sein; sie waren vermutlich bereits auf dem Sims.
    Brynn schaute zu Amy, deren verängstigtes Gesicht von den Tränen gerötet und mit Erde beschmutzt war.
    Was sollen wir nur tun?
    Die Antwort auf diese Frage kam von Michelle, die sich keuchend auf den Speer stützte. »Schluss mit Fliehen. Es ist Zeit, dass wir kämpfen.«
    Brynn sah ihr in die Augen. »Wir sind weit unterlegen.«
    »Das ist mir egal.«
    »Es ist so gut wie aussichtslos.«
    »In meinem Leben war bisher alles geregelt und sicher. Fitnesscenter, Mittag im Ritz, Kosmetiksalon. Es hängt mir zum Hals raus.«
    Sie

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