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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Erholungsgebiete und in den Sportartikelgeschäften seines Wohnorts zu Gesicht bekam. Er hatte sich gefragt, ob diese Leute berufsbedingt klettern mussten. Nein, natürlich nicht. Das waren alles Bürohengste. Sie verdienten zehnmal so viel wie er, ihre Leben gerieten nie in Gefahr, sie spürten nie den Schmerz, den Hart zurzeit empfand. Trotzdem hätte er für kein Geld der Welt mit ihnen getauscht.
    In denen steckt kein Funken Leben mehr, Brynn. Sie sitzen herum und regen sich über irgendwas auf, das sie im Fernsehen gesehen haben und das überhaupt keine Auswirkungen auf sie persönlich hat. Sie gehen zur Arbeit, kommen nach Hause, reden belangloses Zeug, von dem sie keine Ahnung haben oder das sie nicht interessiert …
    Sie erreichten ein flaches Stück Gelände, blieben stehen und sahen sich aufmerksam um. Hart hatte nicht vergessen, dass beide Frauen im Verlauf des Abends versucht hatten, sie zu töten, und er hatte keinen Grund zu der Annahme, dass sie es nicht noch einmal versuchen würden. Sicher, sie wollten fliehen. Aber er sah immer wieder Brynns Augen vor sich. Sowohl in der Auffahrt der Feldmans als auch später in dem Transporter, kurz bevor sie die Bremse löste und das eigene Leben riskierte, um ihn aufzuhalten.
    Sie haben das Recht zu schweigen. Sie haben das Recht auf einen Anwalt …
    Hart musste unwillkürlich lächeln.
    In diesem Moment ertönte vor ihnen in der Ferne ein Schrei. Ein hohes Kreischen.
    »Verflucht, was ist das?« Lewis wirkte beunruhigt.
    Hart lachte. »Das ist das Kind. Das kleine Mädchen.«
    »Die ist so gut wie dein GPS, Hart.«
    Sie liefen los.

64
    »Ein Tier?«, flüsterte Munce.
    Graham lauschte mit geneigtem Kopf dem klagenden Geheul, das mit dem Wind von irgendwo in der Nähe herüberwehte. Links von ihnen, wie es schien. Er hatte auf einem Kamm ein Tier gesehen, das in ihre Richtung schaute - ein Kojote, ein wilder Hund oder eventuell sogar ein Wolf. War das der Urheber des Geräuschs? Mit Pflanzen, Erde, Schlamm und Fels kannte Graham sich aus. Mit Tieren und ihren Lebensweisen nicht.
    »Schon möglich, ich weiß es nicht.«
    Es hatte nicht wie die Stimme einer Frau geklungen. Eher wie ein Kind. Doch das konnte nicht sein.
    »Vielleicht der Wind«, mutmaßte Munce.
    Wenngleich es irgendwie erschrocken oder verunsichert geklungen hatte. Eher ängstlich als qualvoll. Nun herrschte Stille.
    Der Wind, ein Vogel, ein anderes Tier … Bitte. Lass es eine von diesen Möglichkeiten gewesen sein.
    »Da entlang«, sagte Munce. »Genau vor uns.«
    Graham musterte stirnrunzelnd das einschüchternd unwegsame Waldgebiet, das sich nach allen Richtungen erstreckte. Sie hatten etwa vierhundert Meter zurückgelegt und waren in dem Dickicht nur langsam vorangekommen. Das alles dauerte viel länger als erwartet, weil sie ständig zu Umwegen gezwungen waren - entweder wegen Gestrüpp, das dichter war als Stahlwolle, oder wegen steiler Klippen, die eine Kletterausrüstung erfordert hätten. Munce wünschte sich, sie hätten Steigeisen und Seile mitgebracht; Graham war insgeheim froh, dass sie es nicht darauf ankommen lassen mussten.
    Sie kletterten die Hügelflanke hinunter und hielten sich
dabei abermals an Bäumen fest. Plötzlich fanden sie sich in einer Sackgasse wieder, einem Trichter aus Fels. »Ich glaube, das da ist unsere einzige Alternative«, sagte Munce und deutete auf einen abschüssigen Schacht von knapp zwei Metern Breite. Das Gefälle betrug ungefähr fünfundvierzig Grad, und die Oberfläche war mit Schieferbrocken, Geröll und Erde bedeckt. Eine überaus schlüpfrige Mischung. Bei einem Sturz würde man circa fünfzehn Meter über den schroffen Fels rutschen. Dann kam eine Kante. Sie konnten nicht sehen, was dahinter lag. »Oder wir kehren um und suchen nach einer anderen Möglichkeit.«
    Noch im selben Moment hallte wieder dieses Heulen durch die Nacht. Die Männer sahen sich mit großen Augen an.
    Das Geräusch stammte eindeutig aus einer menschlichen Kehle.
    »Vorwärts«, sagte Graham, der einerseits unbedingt den Grund für diese Schreie herausfinden wollte, andererseits aber fürchtete, sie könnten ausrutschen und über die Kante in die Tiefe stürzen - oder geradewegs in einem tödlichen Gleditschiengehölz landen.

65
    »Wo ist meine Mutter?«, kreischte Amy erneut.
    »Bitte, Kleines«, sagte Brynn zu dem Mädchen und hob einen Finger an die Lippen. »Bitte sei still.«
    Das Kind war körperlich und seelisch erschöpft und hatte sich nicht mehr im

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