Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
Frauen erschießen und dabei verräterische Pulverpartikel auf der Haut des Partners hinterlassen. Dann würde er bei Brynns Leiche das Gleiche machen, nämlich ihr eine Waffe in die Hand drücken - vermutlich Munces Glock - und damit zwei Schüsse in Richtung Wald abgeben.
    Die Polizei würde folgern, dass der Partner die drei Opfer ermordet und Brynn im Todeskampf noch zwei letzte Schüsse auf ihn abgegeben hatte.
    Und Hart würde auf ewig von der Bildfläche verschwinden.
    Welch seltsames Gefühl es doch war, nur noch so wenig Zeit zu haben. Brynn sah nicht ihr ganzes Leben vor dem inneren
Auge vorbeiziehen. Doch sie dachte daran, was sie alles bedauerte. Sie schaute zum Wald, zu der glatten, urbar gemachten Kante aus Bäumen und Sträuchern am Rand des Grasstreifens. Halb rechnete sie damit, dass ihr Freund, der Wolf, seinen Kopf herausstrecken und sie kurz mustern würde, bevor er wieder im Unterholz verschwand.
    Dann hob Hart den Arm seines toten Partners an und bog ihn nach links, sodass die SIG-Sauer auf Brynn zielte.
    Michelle drückte Amy noch fester an sich und griff unter ihre Lederjacke. Anscheinend wollte sie das Küchenmesser ziehen und es nach Hart werfen.
    Eine letzte, verzweifelte Geste. Und zudem natürlich vergeblich.
    Joey, dachte Brynn, ich …
    Dann ertönte ein Ruf, der sie alle erschrecken ließ.
    »Keine Bewegung! Fallen lassen!«
    Aus dem Wald hinter Hart kam keuchend und humpelnd Graham Boyd zum Vorschein. Er hatte einen kleinen Revolver in der Hand.
    »Graham«, rief Brynn erstaunt. »Mein Gott.«
    »Fallen lassen! Sofort! Weg mit der Waffe!« Die Kleidung ihres Mannes war mit Schlamm beschmutzt - und mit Blut, wie Brynn nun erkennen konnte - und an mehreren Stellen eingerissen. Sein ebenfalls schmutziges Gesicht wies mehrere Schrammen und Blutergüsse auf, und seine Augen funkelten vor Wut. So hatte sie ihn noch nie erlebt.
    Hart zögerte. Graham feuerte einen Schuss in den Boden zu Harts Füßen. Der Killer zuckte zusammen und seufzte. Dann legte er die Waffe nieder.
    Brynn erkannte Grahams Revolver; es war Eric Munces Zweitwaffe vom Knöchel des Deputy. Sie erinnerte sich, dass sie Graham bei einer Gelegenheit davon erzählt hatte. Ihr schossen zahlreiche Fragen durch den Kopf, doch vorerst dachte Brynn nicht weiter darüber nach, wieso ihr Mann und Munce bei der
Schlucht des Snake River aufgetaucht waren. Sie trat vor, nahm ihrem Mann den Revolver ab, vergewisserte sich, dass die Trommel geladen war, und ließ Hart vom Gras auf die Standspur treten, wo er besser zu sehen sein würde. Und ein deutlicheres Ziel abgeben.
    Kontrolle …
    »Hinknien. Die Hände flach auf den Kopf legen. Falls Sie auch nur eine Hand wieder wegnehmen, sind Sie tot.«
    »Sicher, Brynn.« Hart gehorchte.
    Es kamen nun mehr Fahrzeuge vorbei. Berufspendler auf dem Weg von der Nachtschicht oder zur Frühschicht. Falls jemand in einem der Pkw oder Lastwagen etwas von den Ereignissen mitbekam, ignorierte er sie; niemand hielt an.
    »Graham, nimm seine Glock und die andere Pistole.« Sie wies auf die auffällige silberne SIG-Sauer in Comps Hand. »Eine Waffe fehlt noch. Die von Eric. Durchsuch ihn.« Keith hatte ihr eingeschärft, an einem Tatort stets die Waffen nachzuzählen.
    Graham tat es und fand die Dienstpistole des Deputy. Er legte Harts schwarze und Comps silberne Automatik neben Brynn ins Gras.
    Doch Munces Pistole behielt er in der Hand. Er nahm sie genau in Augenschein.
    Dann richtete er sie auf Hart, der ihn über die Mündung hinweg aus ruhigen grauen Augen ansah. Eine Glock hat keinen Sicherungshebel. Man zielt einfach und drückt ab. Graham wusste das; Brynn hatte ihm und Joey beigebracht, wie man ihre Dienstwaffe lud und abfeuerte. Nur für den Fall der Fälle.
    Nun schoss Graham einmal in den Boden, offenbar um sicherzustellen, dass die Pistole geladen und feuerbereit war.
    »Graham!«
    Er ignorierte seine Frau.
    »Mit wem habe ich vorhin am Telefon gesprochen?«, fragte er leise und bedrohlich. »Mit dir oder dem Toten?«

    »Mit mir«, sagte Hart.
    »Graham«, flüsterte sie. »Es wird alles wieder gut. Hilf mir, Liebling. Ich brauche Plastikfesseln. Sieh im Handschuhfach nach.«
    Ihr Mann starrte Hart weiter in die Augen. Die Waffe in seiner Hand zitterte nicht. Der Abzugswiderstand war überaus gering. Schon ein Zucken des Zeigefingers würde einen Schuss auslösen.
    »Graham? Schatz? … Bitte.« In ihrer Stimme schwang Verzweiflung mit. Falls er abdrückte, würde das Mord sein.

Weitere Kostenlose Bücher