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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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»Bitte.«
    Der große Mann atmete tief durch und senkte die Glock. »Wo sind die Fesseln?«, fragte er schließlich.
    »Graham, bitte gib mir die Waffe.«
    »Wo sind sie?«, wiederholte er barsch und behielt die Pistole. Brynn bemerkte, dass Hart sie anlächelte.
    Sie achtete nicht weiter darauf. »Im Handschuhfach«, antwortete sie ihrem Mann.
    Er ging zum Wagen. »Hier sind keine.«
    »Versuch’s im Kofferraum. Sie liegen in einer Plastiktüte. Vielleicht auch in einer Box. Doch zuerst gibst du einen Funkspruch durch. Das Mikrofon hängt am Armaturenbrett. Drück einfach den Knopf, nenn deinen Namen, sag zehn-dreizehn, und verrat ihnen, wo wir sind. Die Zündung braucht nicht eingeschaltet zu sein.«
    Graham ließ Hart nicht aus den Augen. Er nahm das Mikrofon und folgte Brynns Anweisungen. Ein halbes Dutzend Deputys und Trooper meldeten sich mit hektischen Nachfragen, doch Graham sagte zum Glück nur, was notwendig war: den Ort und die Situation. Er ließ das Mikrofon auf den Sitz fallen und öffnete den Kofferraum.
    Hart schaute zu Michelle, die hasserfüllt zurückstarrte. Er lächelte. »Das war knapp, Michelle. Wirklich knapp.«
    Sie erwiderte nichts. Dann wandte er sich Brynn zu. »Dahinten bei dem Wohnmobil, als Sie uns mit dem Transporter in die
Tiefe gestürzt haben«, sagte er so leise, dass nur sie es hören konnte, und nickte in Richtung der ausgedehnten Wildnis, die sie soeben durchquert hatten. »Ich lag danach bewusstlos am Boden. Sie haben mich gesehen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Meine Waffe lag ganz in der Nähe. Haben Sie die auch gesehen?«
    »Ja.«
    »Warum haben Sie sie sich nicht geholt?«
    »Das kleine Mädchen ist blindlings auf eine Klippe zugelaufen. Ich musste das verhindern.«
    »Eine dieser schweren Entscheidungen.« Er nickte. »Die stellen sich immer im ungünstigsten Moment, oder?«
    »Sonst wären es ja keine schweren Entscheidungen.«
    Er lachte leise auf. »Nun, mal angenommen, das Mädchen wäre nicht dort gewesen. Hätten Sie meine Pistole genommen und mich getötet? Mich erschossen, während ich noch weggetreten war?« Er neigte den Kopf. »Seien Sie ehrlich … wir wollen uns nicht anlügen, Brynn. Hätten Sie mich getötet?«
    Sie zögerte.
    »Sie haben daran gedacht, nicht wahr?« Er lächelte.
    »Ich habe daran gedacht.«
    »Richtig so. Sie hätten mich töten sollen. Ich an Ihrer Stelle hätte es getan. Und wir beide sind uns sehr ähnlich.«
    Brynn schaute zu Graham, der von dem Wortwechsel nichts mitbekam.
    »Es dürfte zwischen uns schon noch einige Unterschiede geben, Hart.«
    »Aber das ist keiner davon … Oder wollen Sie etwa behaupten, Sie hätten mich bloß verhaftet?«
    »Das hatte ich bereits, wissen Sie nicht mehr?«
    Wieder ein Lächeln - nicht nur der Mund, auch die Augen.
    Ein Lastwagen donnerte vorbei. Vereinzelte Pkw.
    Dann rief Graham: »Ich hab sie.«

    Was das Startsignal für Hart war. Als Brynn zu ihrem Mann schaute, sprang er auf. Hart befand sich nicht nahe genug, um sie angreifen zu können - darauf hatte Brynn geachtet -, aber das hatte er auch gar nicht vor. Er sprang über den Leichnam seines Partners und lief die sechs Meter bis zur Interstate. Brynns Schuss verfehlte ihn um wenige Zentimeter. Sie konnte nicht erneut feuern, weil Fahrzeuge sich näherten. Ohne auch nur hinzusehen, setzte Hart alles auf eine Karte und rannte mitten in den Verkehr. Es hätte ihn augenblicklich das Leben kosten können.
    Er schaffte es bis zur mittleren Fahrspur, blieb stehen und wich aus, als der Fahrer eines Toyota Geländewagens panisch das Steuer herumriss. Der Wagen kippte auf die linke Seite und schlitterte Funken sprühend und mit grässlichem Kreischen quer über die rechte Spur und den Seitenstreifen haarscharf an den Frauen und dem Kind vorbei, die instinktiv in die richtige Richtung hechteten.
    Der Toyota hinterließ eine Spur aus Plastik, Glas und Metallstücken und kam schließlich zum Stehen. Die Hupe dröhnte, und aus den leeren Fensterrahmen stieg Airbag-Staub.
    Ein Dutzend weiterer Pkw und Laster bremste scharf. Und bevor Brynn wieder auf Hart anlegen konnte, hatte er bereits die Gegenfahrbahn erreicht. Er sprang über die Haube einer Limousine, die angehalten hatte, zerrte den Fahrer - einen Anzugträger - heraus und stieg ein. Dann raste er auf den Mittelstreifen, beschleunigte an den stehenden Fahrzeugen vorbei und bog wieder auf die Fahrbahn ein. Brynn hob Munces Revolver, doch es bot sich ihr nur einmal kurz ein klares Ziel - zwischen zwei

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