Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
Tom.«
»Ich wünschte, Sie würden sich ausruhen.«
»Alles zu seiner Zeit.«
Sie legte auf, zog sich einen Jogginganzug über und rief dann Gibbs beim Haus der Feldmans an.
»Pete, ich bin’s.«
»Oh, he, Brynn. Wie geht’s dir?«
»Na ja.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Sie fragte, ob von der Spurensicherung noch jemand vor Ort sei.
»Ja. Zwei Mann.«
»Tu mir einen Gefallen. Frag sie, ob irgendwo eine Pistole gefunden wurde.«
»Klar. Warte kurz.«
Gleich darauf meldete er sich wieder und teilte ihr mit, dass man lediglich einige Patronenhülsen entdeckt habe, die letzte Nacht übersehen worden seien. Keine Waffen.
Sie seufzte erneut. »Danke. Und wie geht es dir?« Er klang mitgenommen. Brynn nahm an, es läge an Munces Tod, doch es gab noch einen anderen Grund.
»Es ist was Unangenehmes passiert«, räumte er ein. »Ich musste einer Freundin der Feldmans die schlimme Nachricht überbringen. Sie wusste noch nichts davon. Mann, wie ich das hasse. Sie ist zusammengebrochen. Ist total ausgerastet.«
»Eine Freundin?«
»Ja. Sie hat fast eine Stunde gebraucht, um sich wieder zu beruhigen. Obwohl sie echtes Glück gehabt hat, das kann ich dir sagen. Sie sollte schon gestern Abend herkommen, aber dann musste sie doch noch arbeiten. Sie konnte erst heute früh losfahren. Stell dir vor, was sonst passiert wäre.«
»Woher ist sie gekommen?«
»Aus Chicago.«
»Hast du dir ihre Nummer notiert?«
»Nein. Hab nicht daran gedacht. Hätte ich das tun sollen?«
»Ich rufe noch mal an.«
Brynn lehnte sich auf dem Bett zurück und dachte nach.
Ein zweiter Gast sollte gestern zu Besuch kommen? Noch eine Frau und ebenfalls aus Chicago?
Unmöglich war das nicht. Doch wieso hatte Michelle nichts
davon erzählt? Und warum waren die Frauen nicht gemeinsam zum Lake Mondac gefahren?
Ein absurder Gedanke nahm allmählich Gestalt an …
So absurd, dass er schon peinlich war.
Dennoch konnte Brynn ihn nicht ganz von sich weisen. Also gut, sie war die ganze Zeit davon ausgegangen, dass es sich bei Michelle um den Gast der Feldmans handelte. Doch wenn sie nun so darüber nachdachte, gab es eigentlich keinen Beweis dafür.
Und falls Michelle überhaupt nicht mit dem Ehepaar befreundet gewesen war?
Absurd …
Doch die Vorstellung ließ sie nicht los. Mal angenommen, Michelle war eine Fremde, die nur behauptete , die Feldmans zu kennen …
Was ihr leicht möglich sein würde, denn immerhin habe ich ihr alle dafür notwendigen Informationen geliefert. Ich habe sie gefragt, ob sie die Freundin aus Chicago sei. Und wenig später habe ich mich nach ihrem Namen erkundigt. Wodurch ihr klar wurde, dass ich nichts Näheres über die besagte Freundin wusste. Außerdem habe ich ihr verraten, dass die Freundin und Emma ehemalige Kolleginnen waren. »Sind Sie ebenfalls Anwältin?«, habe ich sie gefragt.
Aber nein, das war verrückt. Weshalb sollte sie lügen?
Brynn keuchte auf, denn ihr kam nun ein anderer Gedanke, der diese Frage mit entsetzlicher Klarheit beantwortete. An der Interstate - bei der Brücke über den Snake River - hatte sie die Waffen der Männer eingesammelt: Harts Glock und Comps SIG-Sauer. Rechnete man die Waffe hinzu, die Michelle behauptete gefunden zu haben, bedeutete dies, dass die Männer drei halbautomatische Pistolen und eine Schrotflinte mitgebracht hatten.
Was sogar bei professionellen Auftragsmördern ziemlich viel war.
Und wieso hatte die Spurensicherung mit ihrem Metalldetektor all die Patronenhülsen, aber nicht die fehlende Pistole gefunden?
Mein Gott, und falls diese Pistole nun nicht Hart oder Comp, sondern von vornherein Michelle gehört hatte?
Doch warum sollte sie eine Waffe mitbringen?
Darauf gab es nur eine Antwort: Weil sie von Stanley Mankewitz für den Mord an Emma Feldman angeheuert worden war und Hart und Comp mitgebracht hatte.
Sie wollte die Männer am Tatort ermorden und ihre Leichen als Sündenböcke zurücklassen.
Dann fiel Brynn ein, wie Michelle an der Interstate unter ihre Jacke gegriffen hatte. Sie hatte nicht das Messer ziehen wollen, sondern die Pistole, die sie schon die ganze Nacht bei sich trug.
Und die sich immer noch in ihrem Besitz befand.
Die Rohre im Erdgeschoss gaben Ruhe. Michelle hatte das Wasser abgedreht.
80
Mit einem bedauernden Blick zu der leeren Waffenkassette lief Brynn auf den Flur hinaus und in Joeys Zimmer. Sie packte ihn bei den Schultern.
»Mom, was ist denn?«, fragte er mit großen Augen.
»Hör gut zu, Schatz. Wir haben ein
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