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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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vornherein zweckloses Unterfangen zu sein.
    Instinkt, ermahnte er sich.
    Okay. Mal sehen, was passiert.
    »Wirst du mir die Wahrheit sagen?«
    »Ich sage dir bereits die Wahrheit!«, schrie der Junge und fing an zu weinen.
    Grahams Herz klopfte wie wild. War Joey aufrichtig? Das hier war so schwierig. Er bemühte sich, ruhig zu klingen. »Joey, deine Mutter und ich haben dich sehr lieb. Wir haben uns beide furchtbar erschrocken, als wir hörten, du seist verletzt worden.«
    »Du hast mich nicht lieb. Niemand hat das.« Die Tränen hörten so abrupt auf, wie sie angefangen hatten. Er lehnte sich zurück und las in seinem Buch.
    »Joey …« Graham beugte sich vor. »Ich mache das hier, weil mit etwas an dir liegt.« Er lächelte. »Komm schon. Putz dir die Zähne, und zieh deinen Schlafanzug an. Es ist Zeit fürs Bett.«
    Der Junge rührte sich nicht. Seine Augen überflogen hektisch Zeile um Zeile, aber er nahm dabei kein einziges Wort auf.
    Graham erhob sich und verließ das Zimmer. Das Skateboard nahm er mit. Auf der Treppe musste er bei jedem Schritt gegen die Versuchung ankämpfen, auf der Stelle kehrtzumachen, sich zu entschuldigen und den Jungen anzuflehen, doch wieder fröhlich zu sein und ihm zu verzeihen.
    Aber sein Instinkt gewann die Oberhand. Graham ging nach unten und legte das Skateboard in das oberste Fach des Wandschranks.
    Anna beobachtete ihn dabei. Sie wirkte belustigt. Graham fand an der Situation nichts Komisches.
    »Wann kommt Brynn nach Hause?«, fragte seine Schwiegermutter.
    Er sah auf die Uhr. »Bald, schätze ich. Sie wird sich vermutlich unterwegs einen Imbiss holen und im Wagen essen.«
    »Das sollte sie nicht tun. Nicht mitten in der Nacht auf diesen Straßen. Man schaut kurz nach unten, nimmt das Sandwich, und in der nächsten Sekunde läuft ein Reh vor das Auto. Oder ein Bär. Jamie Henderson ist fast mal mit einem zusammengestoßen. Er war einfach da.«
    »Ich glaube, ich hab davon gehört. War es ein großes Tier?«
    »Groß genug.« Sie wies in Richtung der Zimmerdecke. »Wie ist es gelaufen?«
    »Nicht gut.«
    Sie lächelte ihn dennoch weiterhin an.
    »Was denn?«, fragte er gereizt.
    »Es ist ein Anfang.«
    Graham verdrehte die Augen. »Da bin ich anderer Ansicht.«
    »Vertrau mir. Manchmal ist es vor allem wichtig, dass eine Botschaft überbracht wird, wie auch immer sie lauten mag. Vergiss das nicht.«
    Er nahm das Telefon, wählte Brynns Nummer und landete sofort bei der Mailbox. Graham legte auf und starrte nachdenklich den Fernseher an. Die Hornissen fielen ihm wieder ein. Wie er seine Arbeit gemacht, eine große zottige Pflanze vor
sich hergeschoben und sich des Lebens gefreut hatte, ohne zu merken, dass er drei Meter zuvor auf ein Nest getreten war.
    Bis sich plötzlich die kleinen dunklen Punkte mit ihren brennenden Stacheln in Scharen auf ihn gestürzt hatten.
    Und warum ist dir das so wichtig?, grübelte er nun.
    Lass es doch einfach hinter dir.
    Graham griff nach der Fernbedienung. Oben knallte eine Tür ins Schloss.

23
    Brynn und Michelle bahnten sich ungefähr dreihundert Meter nördlich des Hauses der Feldmans einen Weg durch schmutziges dichtes Unterholz. Die Bäume standen hier näher beieinander, zumeist üppige Kiefern, Fichten und Tannen. Die Sicht auf den See war versperrt.
    Die Alarmanlage des Wagens war ein bedauerlicher Fehler gewesen. Aber da er nun mal geschehen war, hoffte Brynn, ihn inzwischen zu ihrem Vorteil gewendet zu haben. Die Männer sollten glauben, dass es sich um ein vorsätzliches Ablenkungsmanöver gehandelt hatte und die Frauen mit einem Kanu ans andere Seeufer übersetzen wollten. In Wahrheit waren sie mit dem Boot lediglich ein kurzes Stück stromabwärts gepaddelt und am anderen Ufer des Baches wieder ausgestiegen. Dann hatten sie die Schwimmwesten aufgestellt, damit sie wie zwei geduckte Personen aussahen, und das Kanu in die starke Strömung geschoben, die es hinaus auf den Lake Mondac trug.
    Danach waren sie so schnell geflohen, wie es Michelles Knöchel zuließ, weg von dem Haus am See, nach Norden hinein in den Marquette State Park.

    Als die Schüsse aufpeitschten, mit denen Brynn gerechnet hatte, war sie darauf vorbereitet und stieß einen grellen Schmerzensschrei aus, der abrupt abbrach, als wäre sie tödlich getroffen worden. Sie hatte gewusst, dass die Männer halb taub sein und dank der verwirrenden Echos von den Hügeln nicht erkennen würden, dass der Schrei von einer ganz anderen Stelle erklungen war. Der Trick mochte sie

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