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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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verhielten sich berechenbar. Er hatte sich mit menschlichem Verhalten in Extremsituationen vertraut gemacht und war bereit, es mit jedem noch so gefährlichen Exemplar aufzunehmen. Tiere jedoch gehorchten anderen Maßstäben. Er musste an die Pfotenabdrücke unweit des Hauses der Feldmans denken.
    Dies ist mein Reich. Ihr gehört nicht hierher. Ihr seht Dinge, die gar nicht da sind, und merkt nicht, was sich euch von hinten nähert.
    Doch dann atmete er tief durch und lehnte sich an einen anderen Baum. Die beiden Männer sahen einander an und lächelten. »Ich bin schon seit Jahren nicht mehr so gerannt«, sagte Hart. »Ich dachte, ich wäre in Form. O Mann.«
    »Trainierst du?«
    Sogar regelmäßig - denn seine Tätigkeit erforderte Kraft und Ausdauer -, aber im Wesentlichen durch Gewichtheben, nicht durch Aerobic. So war es sinnvoller; Hart musste nur selten jemandem nachjagen, und soweit er sich erinnern konnte, war er noch nie im Leben vor irgendwas weggelaufen. »Ich jogge so gut wie nie«, sagte er zu Lewis.
    »Ich auch nicht. Die Familie Lewis hat es nicht so mit Fitnesscentern. Aber ich arbeite manchmal auf dem Bau. Zum
Beispiel für Gaston an dem Hochhaus in der Nähe des Sees.«
    »Das sagt mir nichts.«
    »Gaston Construction? Der große Turm? Auf der anderen Seite des Expressway. Mittlerweile ist die Glasfassade dran. Ich war beim Betonbau dabei. Das hält dich fit. Bist du handwerklich geschickt?«
    »Es geht«, antwortete Hart. »Ich habe mal ein paar Klempnerarbeiten gemacht. Fürs Anstreichen fehlt mir die Geduld. Und von Elektroinstallationen halte ich mich fern.«
    »Geht mir auch so.«
    »Am liebsten mag ich das Zimmerhandwerk.«
    »Baust du Dachstühle?«
    »Eher Möbel«, erwiderte Hart.
    »Du machst Möbel?«
    »Einfache Dinge.«
    Zweimal messen, einmal schneiden …
    »So wie Tische und Stühle?
    »Ja. Oder kleine Schränke. Das entspannt mich.«
    »Ich hab für meine Großmutter mal ein Bett gebaut«, sagte Lewis.
    »Ein Bett? Na los, lass uns weitergehen.« Sie machten sich wieder auf den Weg. »Wie kam es, dass du ihr ein Bett bauen musstest?«
    »Sie wurde verrückt«, erklärte Lewis. »Vielleicht wegen diesem Alzheimer-Zeug. Keine Ahnung. Oder es lag einfach nur am Alter. Sie lief das ganze Jahr durchs Haus und sang Weihnachtslieder. Immerzu. Und sie fing an, das Wohnzimmer zu schmücken. Meine Mutter nahm die Sachen herunter, und sie hängte sie wieder auf.«
    Hart erhöhte das Tempo.
    »Sie war also ziemlich durch den Wind. Und sie fing an, nach dem Bett zu suchen, das sie und mein Großvater mal gehabt hatten. Das war schon vor Jahren beim Sperrmüll gelandet. Sie
aber dachte, es würde irgendwo im Haus stehen, und ist überall herumgekrochen, um es zu suchen. Sie tat mir leid. Zum Glück gab es ein paar Fotos, auf denen das Bett zu sehen war, und so hab ich ihr ein neues gebaut. Es war nicht besonders gut, aber die Ähnlichkeit hat wohl gereicht. Ich glaube, sie hat während ihrer letzten Monate gut darin geschlafen. Keine Ahnung.«
    »Du hast ihr das Bett ›gemacht‹«, sagte Hart. »Aber im wahrsten Sinne des Wortes, nicht bloß mit Laken und Decke.«
    »Ja, so war es wohl.« Er lachte auf.
    »Weshalb arbeitest du in diesem Job, Comp? Du könntest Tariflohn verdienen.«
    »Oh, es geht mir nur um die Kohle. Mit körperlicher Arbeit wird man nicht reich.«
    »Machst du viel Geld auf diese Weise?«
    »Jede Menge. Meine Mutter ist inzwischen auch im Pflegeheim. Und meine Brüder steuern etwas zu den Kosten bei. Da kann ich nicht zurückstehen.«
    Hart spürte, dass Lewis ihn ansah, als habe er ihn nach seiner Familie fragen wollen, sich dann aber an die Geschichte über den Bruder und die früh verstorbenen Eltern erinnert.
    »Wie dem auch sei, ich bin gut in dem, was ich tue. Zum Teufel, du kennst doch meinen Ruf. Du hast mich überprüft, nicht wahr? Die Leute haben sich für mich verbürgt.«
    »Das haben sie. Deshalb habe ich dich angerufen.«
    »Banken, Lohnbüros, Schuldeneintreibung, Schutzgeld … das alles liegt mir. Ich habe überall am See Kontakte. Und du, Hart? Wieso bist du in dieser beschissenen Branche?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich arbeite nicht gern für andere Leute. Und ich sitze nicht gern herum. Ich bin gern aktiv. Mir juckt es ständig in den Fingern.«
    Es gefällt mir …
    Lewis sah sich um. »Glaubst du, sie haben sich versteckt?«
    Hart war sich nicht sicher, aber er ging nicht davon aus. Er hatte so eine Ahnung, dass Brynn ihm in gewisser Weise
ähnelte.

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