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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Blick über die Kante der Klippe konnten sie im schwachen Mondschein sechs Meter unterhalb ein Sims am Fuß einer steilen Felswand erkennen. Eine der Frauen war abgestürzt - vielleicht auch alle beide. Auf dem Sims lag der mehr als einen Meter lange Ast, der von dem Baum neben ihnen abgebrochen war. Und rundherum gab es einen großen, leuchtend roten Blutfleck, der im Licht der Taschenlampe glänzte.
    »Mann«, sagte Lewis, »das hat wehgetan.« Er versuchte, tiefer hinab in die Schlucht zu schauen. »Ich möchte wetten, sie hat sich das Bein gebrochen. Das ist jede Menge Blut.«
    »Sie mussten danach weiter nach unten klettern, denn zurück
nach oben ging es mit so einer Verletzung nicht mehr. Oder es gibt hinter dem Sims womöglich eine Höhle, und sie versuchen, sich darin zu verstecken.«
    »Tja, wir müssen ihnen wohl folgen«, verkündete Lewis. »Das ist wie bei der Jagd. Du verfolgst ein verwundetes Tier so lange, bis du es findest. Was auch passieren mag. Wenn du willst, steige ich als Erster nach unten.«
    Hart zog eine Augenbraue hoch. »Das ist aber ein ziemlich heikler Abstieg.«
    »Ich hab’s dir doch erzählt - die Bauarbeiten am See. Dreißig Etagen über der Erde, und ich laufe auf dem Stahlgerüst umher, als wäre es ein Bürgersteig.«

33
    Nein. Irgendwas stimmt nicht.
    Graham Boyd stand von der Couch auf, ging an Anna vorbei, die ihre Strickerei gegen ein großes Sticktuch getauscht hatte - die Frau fand Frieden und Vergnügen darin, alle Arten von Stoff zu bearbeiten -, und betrat die Küche. Sein Blick fiel auf ein Foto seiner Frau als Halbwüchsige, die auf dem Pferd saß, mit dem sie später den Jugendspringreiterwettbewerb von Mittel-Wisconsin gewinnen sollte. Sie saß vorgebeugt da, hatte eine Wange an das Fell des Tieres gedrückt und tätschelte ihm den Hals, während ihr Blick auf irgendetwas anderes gerichtet war, vermutlich auf einen der anderen Teilnehmer.
    Er nahm das Telefonbuch des Bezirks und sah auf der Landkarte nach. Die nächstgelegenen Orte vom Lake Mondac aus waren Clausen und Point of Rocks. In Clausen gab es eine Zweigstelle des Gerichts, in Point of Rocks ein Polizeirevier. Er
versuchte es zuerst beim Gericht. Dort ging niemand ans Telefon, und die automatische Ansage verwies auf das Rathaus, wo sich jedoch auch nur ein Anrufbeantworter meldete. Das Polizeirevier in Point of Rocks war geschlossen, und die Ansage riet, man solle sich bei einem Notfall an das Sheriff’s Department oder die Staatspolizei wenden.
    »Vielen Dank für Ihren Anruf« , sagte die höfliche Stimme. »Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag.«
    Wie kann eine Polizeidienststelle geschlossen sein, verdammt noch mal?
    Er hörte, dass Joeys Zimmertür sich öffnete. Die Toilettenspülung rauschte.
    Gleich darauf: »Wann kommt Mom nach Hause?« Der Junge, der noch immer nicht seinen Schlafanzug trug, stand am oberen Ende der Treppe.
    »Bald.«
    »Hast du sie angerufen?«
    »Sie hat zu tun und darf nicht gestört werden. Zieh deinen Schlafanzug an und geh ins Bett. Licht aus.«
    Der Junge drehte sich um. Die Zimmertür ging zu.
    Graham glaubte, schon wieder das Videospiel zu hören. Er war sich nicht sicher.
    »Wo ist sie?«, fragte Anna. »Ich mache mir Sorgen, Graham.«
    »Ich weiß es nicht. Dieser Deputy, mit dem ich gesprochen habe, hat gesagt, es sei bloß Routine. Aber es hat sich nicht richtig angefühlt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ihr Telefon. Sie soll es jemand anderem gegeben haben? Unmöglich.« Er konnte mit Anna reden, ohne befürchten zu müssen, dass sie unzugänglich wurde. Bei schwierigen Themen fiel es ihm alles andere als leicht, mit Brynn und ihrem Sohn zu sprechen - verflucht, das schien das Thema des heutigen Abends zu sein -, aber mit seiner Schwiegermutter war das anders. »Sie ist dafür doch viel zu sehr auf Kontrolle aus.«

    Er hatte das Wort »Kontrollfreak« nur knapp vermieden.
    Annas Stirnrunzeln verwandelte sich in ein Lächeln, als hätte sie es erst jetzt begriffen. »Du hast recht, das ist sie.«
    Graham nahm den Hörer ab und wählte eine Nummer.
    »Deputy Munce.«
    »Eric, hier ist Graham.«
    »Hallo. Was gibt’s?«
    »Ist der Sheriff da?«
    »Jetzt? Nein. Er geht meistens um achtzehn oder neunzehn Uhr nach Hause.«
    »Hören Sie, Brynn ist heute Abend zu einem Einsatz gefahren. Oben beim Lake Mondac.«
    »Richtig. Ich hab davon gehört.«
    »Tja, sie ist immer noch nicht zurück.«
    Schweigen. »Noch nicht zurück? Die Fahrt von Ihnen dahin dauert vierzig

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