Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
ätzte Jasha.
»Nee, weil du Angst hattest, sie könnte meinem Charme und meinem blendenden Aussehen erliegen.«
»Bestimmt nicht. Sie hat nämlich auch bei Männern einen guten Geschmack.«
»Und deshalb ist sie mit dir zusammen, was? Kann es sein, dass sie eine Brille braucht?«
Ann blickte abwechselnd von einem zum anderen, fast so, als verfolgte sie ein spannendes Tennismatch. Die beiden Brüder waren - völlig normal im Umgang miteinander. Wie in anderen Familien, die Ann kannte. Sie zogen einander auf und lachten darüber. Die junge Frau kam sich spontan wie eine Außenseiterin vor, auf der verzweifelten Suche nach Familienanschluss.
Sie fühlte sich irgendwie als Eindringling. »Ich sehe ganz gut«, meinte sie verschnupft.
Jasha stieß Rurik seinen Ellbogen in die Rippen. »Da hörst du es.«
»Wird eine lange Nacht für dich, was, Kumpel?« Er rieb sich das kantige Kinn und drehte sich zu Ann um. »Meine Eltern sind nämlich sehr altmodisch. Jasha und ich teilen uns ein Zimmer. Freunden Sie sich schon mal mit dem Gedanken an, dass Sie in Firebirds Zimmer übernachten werden.«
»Ist schon okay. Das macht mir nichts.« Hatte eigentlich jede Frau, die Jasha mit nach Hause brachte, Sex mit ihm?
»Schnarcht er eigentlich?«, fragte Rurik scheinheilig. »Kuschelt
er gern? Er ist ein lausiger Lover, nicht? Das hab ich mir schon gedacht.«
Ihre Wangen glühten flammend rot, aber das konnte Rurik in der Dunkelheit bestimmt nicht erkennen, also riskierte sie eine gepfefferte Retourkutsche. »Er ist der beste Lover, den ich je hatte.«
»Bingo! Dann war sie also noch Jungfrau?« Rurik lachte.
Jasha massierte ihre Schultern. »Ja.«
Rurik lachte abermals. Zweifellos glaubte er ihnen kein Wort.
»Jedenfalls« - Jasha funkelte seinen Bruder vernichtend an - »führten Mama und Papa hitzige Debatten um das Haus. Papa wollte sich endlich auf den Weinanbau konzentrieren und erklärte ihr irgendwann kurz und bündig, sie solle sich beruhigen. Frauen! Weiber! Woraufhin sie sich gnädig bereit erklärte, für die Handwerker zu kochen, die hier arbeiteten. Er kümmerte sich um die Kelter …«
»Klar doch«, sagten die Brüder unisono.
»… und sie führt seitdem den Haushalt«, setzte Jasha hinzu.
Die Haustür sprang auf, und eine zierliche dunkelhaarige Frau mit dunklen Augen trat ins Freie.
»Da ist sie«, sagte Jasha beinahe zärtlich.
Seine Mutter gestikulierte ungeduldig mit den Händen, ehe sie in Richtung Wagen lief.
»Jetzt hast du ein Problem, Mann«, sagte Rurik. »Du hattest dich bei ihr nicht abgemeldet, und sie war schwer in Sorge. Zu allem Überfluss hast du mit keinem Wort erwähnt, dass du einen Gast mitbringst. Ich glaub, die bittere Pille musst du jetzt schlucken.«
Jasha sprang aus dem Fond und lief zu seiner Mutter.
Ann wandte sich unschlüssig an Rurik. »Soll ich …?«
»Lassen Sie ihnen eine Minute Zeit.« Rurik beobachtete,
wie seine Mutter Jasha umarmte, ihm mit dem erhobenen Zeigefinger drohte - er war inzwischen fast zwei Kopf größer als sie - und ihn wieder in die Arme schloss.
Auf der Fahrt war Rurik ein witzig-lockerer Gesprächspartner gewesen, und er hatte wesentlich jünger gewirkt als Jasha. Er war attraktiv - mit feurig braunen Augen und weichem braunem Haar - und ungefähr so groß wie sein Bruder. Einmal abgesehen von ihrer Statur waren sie jedoch grundverschieden. Jasha hatte seinen Bruder mit den Worten vorgestellt, er leite als Chef-Archäologe eine Ausgrabung in Schottland.
Jetzt ahnte sie, wieso Rurik Führungsqualitäten besaß. Seine Miene war ernst, mit einem Hauch von Arroganz; grimmige Konzentration verschattete seinen Blick. Der Mann hatte bestimmt Nerven aus Stahl und war, wenn es sein musste, knallhart.
»Vor dem Hintergrund von Papas Krankheit, den Visionen und all dem Kram«, erklärte er, »ist Mama fast durchgedreht, als Jasha plötzlich weg war und sich nicht mal mehr zu Hause meldete.«
Ann hatte schlagartig ein rabenschwarzes Gewissen. »Tut mir echt leid, wenn ich daran mit schuld sein sollte …«
Rurik musterte sie mit einem schiefen Seitenblick. »Nach eurem Bericht hattet ihr ja wohl keine großartige Alternative. Mama konnte sich natürlich denken, dass Jasha Gründe für sein Abtauchen hatte. Mein Bruderherz ist verdammt verantwortungsbewusst. Der reagiert nie impulsiv, sondern geht immer mit gutem Beispiel voran.« Er zog ein langes Gesicht. »Angesichts der Prophezeiung hatten wir jedoch massiv Skrupel, dass sich da eine schlimme
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