Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
gut.«
»Ja«, stellte ich klar. »Mir geht es gut.« Dann zischte ich Ryu leise zu: »Kannst mich runterlassen.«
»Bist du sicher?«, murmelte er. Ich nickte.
Er setzte mich sanft auf die Füße, hielt mich aber vorsorglich an der Taille fest. Ich sah nach unten.
»Ach du Schande!«, dachte ich. Und dann flüsterte ich Ryu zu: »Ich bin ja nackt.«
Er nickte, und ein winziges Lächeln zeichnete sich auf seinem grimmigen Gesicht ab. Aber sein Blick blieb kalt.
»Und so winzig«, sagte die Sensenstimme verächtlich. »Wie ein Püppchen. Ich weiß ja, dass du gerade erst aus der Pubertät heraus bist, aber ich hätte nicht gedacht, dass du sogar noch mit Puppen spielst, Ryu.«
Empört nahm ich die Person, die da sprach, genauer in Augenschein. Sie war groß und überragte Ryu um einige Zentimeter. Sie hatte die hoch aufgeschossene, muskulöse Statur einer Fitnesstrainerin. Ihre Gesichtszüge waren
scharf geschnitten, ihre Lippen schmal. Momentan wirkten sie sogar noch schmaler als normal, denn sie waren zu einer verbissenen Grimasse zusammengepresst, die in ihrer Welt wohl als Lächeln durchging. Ihr hellbraunes Haar war kurzgeschnitten wie das von Ryu, aber da endete die Familienähnlichkeit auch schon. Sie trug ein enges, schwarzes Minikleid und kniehohe, nuttige Stiefel. Ich schätze, sie sah gut aus, aber ihr ätzendes Auftreten verdarb den ganzen Eindruck.
»Was für eine Schlampe«, bemerkte ich. Hatte ich das jetzt etwa laut gesagt?
Ryu verkniff sich prustend das Lachen, und Nyx sah mich scharf an.
»Was hast du da gesagt, Halbling?«
Ich überlegte einen Moment. »Ich habe Sie eben eine Schlampe genannt«, stellte ich schließlich klar.
Sie zischte wütend und starrte mich mit zusammengekniffenen Augen an.
»Denn so wirken Sie leider wirklich«, erklärte ich ihr hilfsbereit. »Für den Fall, dass Sie daran arbeiten wollen.«
Nyx kam auf uns zu, und ich bemerkte, dass sie nicht gerade erfreut aussah.
»Ich wollte doch nur helfen«, rechtfertigte ich mich. »Schlampen mag schließlich niemand.«
Ryu hielt mir den Mund zu und schob mich dann hinter sich. Ich zuckte mit den Schultern und sah mich suchend nach meinem Kleid um.
»Nyx«, sagte Ryu warnend, »beruhige dich und lass sie in Ruhe. Wir beide haben etwas zu besprechen.«
»Etwa, wie viel Spaß ich dabei haben werde, dem kleinen Miststück den Kopf abzureißen?«
Ich plusterte mich auf, doch noch bevor ich etwas sagen konnte, hielt Ryu mir schon wieder den Mund zu. Ich biss ihn. Er zuckte zwar zusammen, aber er zog seine Hand nicht zurück.
»Niemand reißt hier irgendwem den Kopf ab«, sagte Ryu trocken. »Lass Jane in Ruhe, sie ist gerade nicht ganz sie selbst.« Er hielt kurz inne. »Und außerdem hat sie ganz Recht. Du bist eine Schlampe, und das weißt du auch.«
Nyx’ Lippen dehnten sich, als sie sich zu einem Lachen herabließ. »Was für dich eine Schlampe ist, nenne ich eher ›geschäftstüchtige Führungspersönlichkeit mit Sinn fürs Perfide‹.« Dann fügte sie verächtlich hinzu: »Eines Tages wirst auch du das vielleicht verstehen, Schnüffler .«
Ryu hatte mich mittlerweile losgelassen, und ich hatte mein Kleid entdeckt. Ich wankte zu ihm hinüber und wickelte es um mich. Die Schleife machte mir ein bisschen Probleme, aber schließlich gelang es mir doch, sie zu bezwingen und sie mit Nachdruck festzuziehen.
Ich hob meine Schuhe, das Höschen und den BH auf und blieb stehen, wo ich war, um zu warten, bis Ryu mit Nyx gesprochen hatte. Ich glaube, langsam wurde ich wieder nüchtern. Entweder das, oder ich war noch immer zu breit, um mich zu bewegen.
»Also gut«, fuhr Ryu trotz seiner offensichtlichen Irritation beharrlich fort. »Warum ich mich so freue, dich zu sehen, ist, weil ich dich etwas fragen wollte.« Seine Stimme klang ganz ruhig, aber seine Augen funkelten vor angespannter Erwartung.
»Peter Jakes«, sagte er schließlich mit der Miene eines Menschen, der eine Bombe platzen ließ.
Wir beide warteten gespannt.
Die Bombe zischte nur, explodierte aber nicht.
Nyx lächelte. »Ach, du meinst den Halbling. Er hat für mich gearbeitet.« Ryu schaute erstaunt. Er hatte offensichtlich irgendeine List von Nyx erwartet. »Was möchtest du denn über ihn wissen?«, fragte sie ganz unschuldig.
Ryu hatte sich schon wieder von seiner Überraschung erholt. »Wusstest du, dass er tot ist?«
»Aber ja, das ist mir natürlich zu Ohren gekommen. Wirklich schade, in manchen Dingen war er mir sehr nützlich. Er war
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