Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
schoss, und ich war entsetzt.
»Warum wurde ich jetzt rot wie ein Schulmädchen? Es war doch überhaupt kein richtiges Date. Er untersucht nur einen Mordfall, verdammt!«, dachte ich.
Grizzie runzelte die Stirn und betrachtete mich von oben bis unten. Ich ahnte bereits, was nun kommen würde, und wurde kreidebleich, als sie sagte: »Was wirst du anziehen?«
KAPITEL 6
M it einem beklommenen Gefühl öffnete ich meinen Kleiderschrank. Ich hoffte, dass Nell nicht nur ein Gartenzwerg war, sondern die Absicht hatte, sich zu einer Märchenfee zu mausern, und meinen Schrank vielleicht mit lauter schönen Dingen gefüllt hatte. Aber alles, was mich daraus anlachte, waren meine verschiedenen T-Shirts mit der Read it and weep -Aufschrift, ein paar Jeans und ein Haufen alter Pullis.
»Grizzie hat wirklich Recht, wenn sie sich Sorgen um meine Garderobe macht«, seufzte ich in Gedanken. »Ich laufe herum wie ein Penner. Oder wie eine Siebenjährige.«
Ich hatte nur ein Outfit, das annähernd schick war: ein hübsches rotes Wickelkleid, das ich im Schrank meiner Eltern gefunden hatte. Mein Vater, der immer noch darauf hoffte, dass meine Mutter eines Tages zurückkam, hatte ihre Sachen nie weggegeben. Ihr gemeinsames Schlafzimmer war noch immer so, wie sie es verlassen hatte. Aber er hatte mir erlaubt, ihr rotes Kleid zu »borgen«. Doch ich ging im Gegensatz zu ihm davon aus, dass ich es ihr nie zurückgeben könnte.
Also nahm ich es aus dem Schrank, hielt es mir an und betrachtete mich im Spiegel. Wie alle Wickelkleider schmeichelte es der weiblichen Figur unglaublich. Ich klemmte mir den Bügel unters Kinn und zog das Kleid eng um meine Taille. Ich fragte mich, welche Schuhe ich dazu anziehen könnte. Ich hatte keine, die dazu passten, schließlich hatte ich das Kleid erst einmal getragen, zu einer Verabredung mit Jason, als wir noch auf der Highschool waren.
Ich ließ mich kraftlos auf mein Bett fallen, Schuldgefühle übermannten mich. »Was zur Hölle tust du da?«, fragte ich mich wütend. »Erstens ist das heute Abend überhaupt keine Verabredung. Du wirst nur in einem Mordfall befragt. Und zweitens, selbst wenn es eine Verabredung wäre, du hast kein Glück bei so etwas. Jemand, der die Liebe seines Lebens auf dem Gewissen hat, bekommt keine Dates mehr. Drittens wird Ryu sicher seine übernatürlichen Kräfte dazu nutzen, sich noch schneller aus dem Staub zu machen als andere Männer, wenn er die ganze Wahrheit über dich erfährt. Also mach dich nicht selbst zum Affen, Jane, indem du dich auftakelst, als wäre das hier eine Folge von Sex and the City . Es gibt einen Grund dafür, dass in der Serie keine fünfte Freundin mit der Eigenschaft ›nachweisbar verrückt‹ mitspielt. Bei so einer Figur ist nämlich nicht viel Spielraum für Liebesgeschichten.«
Ich hängte das Kleid wieder in den Schrank zurück und ging duschen. Ich schrubbte meinen Körper, als könnte ich mir mit dem Peeling auch mehr Selbstbewusstsein einreiben. Dann zog ich die neueste Jeans an, die ich besaß, und nach kurzem Überlegen ein dunkelblaues, langärmeliges Oberteil, dessen V-Ausschnitt drei kleine Knöpfe zierten. Bei mir ging das als schickes Outfit durch, also war es eine gute
Alternative zu dem Wickelkleid. Statt der Stoffturnschuhe, die ich sonst immer trug, zog ich sogar meine schwarzen Stiefeletten mit den kleinen Absätzen an. Sie waren zwar eher praktisch als glamourös, aber zumindest waren es richtige Schuhe. Um das Vergehen, die Stiefel zu tragen, wiedergutzumachen, legte ich nur einen Hauch Make-up auf. Ein Teil von mir gestand sich ein, dass dieses Katz-und-Maus-Spiel mit meiner Schuld ziemlich lächerlich war, aber ich konnte nicht anders.
Ich kämmte mein feuchtes Haar noch einmal durch und hoffte, es würde trocken hübsch fallen - aber auch wieder nicht zu hübsch.
Grizzie hatte mich gezwungen, eine Stunde früher aus der Arbeit zu gehen, denn sie hatte wohlweislich an meinem Talent, mich halbwegs präsentabel zu machen, gezweifelt. Als ich nach Hause kam, war mein Vater noch nicht zurück. Er hatte das Auto in die Werkstatt der Covellis gebracht, was in der Regel bedeutete, dass er und Joe stundenlang beisammensaßen und quatschten.
Heute Morgen hatte ich eine Lasagne aus dem Gefrierschrank geholt und schon einmal zum Auftauen in den Ofen gestellt, damit ich sie nach der Arbeit für meinen Vater aufwärmen konnte. Ich war gerade hinunter in die Küche gegangen, als ich unser klappriges, altes Auto die lange
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