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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Pagel
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Anblick und erst danach bemerkte sie, dass er nicht alleine war. In einer Ecke der Couch kauerte eine junge Dame. Blonde Locken fielen seidig über ihre Schultern und endeten erst knapp oberhalb des feinen Gürtels, welcher ihre weiße Robe zusammen hielt. Ihre Augen waren klar wie das durchsichtige Wasser eines Bergsees und doch blickten sie trübe zu den beiden Eintretenden hinüber.
    "Sie sagt, sie vertritt ihre Mutter, weil jene erkrankt ist" Der Fremde ließ Kyranas Arm erst los, als sie vor der Couch angelangt waren und sah Kelmar düster an. "Ich erwischte sie in der Bibliothek." Des Mädchens Blick versank in meerblauen Augen, als der Hausherr sich ihr zuwandte. Kälte ging von ihm aus und doch wurde ihr warm, als er ihre Hand ergriff und festhielt. Er erhob sich und sah auf sie nieder.
    Ohne auf ihre dumme Ausrede einzugehen, ertönte weich seine Stimme: "Kyrana...Wie nett, dass du uns besuchst. Sieh her, dies ist Merian Yiory, mein Bruder." Er deutete auf den Fremden, welcher nun eine knappe Verbeugung andeutete, obwohl seine schwarzen Augen noch immer unheilvoll blickten. "Und dies hier...", Kelmar wandte sich mit einem Lächeln der Dame zu. "...ist Niobe, meine Gemahlin."

Kapitel 5
    Das Bett in welchem sie lag, war groß und fremd, das Zimmer war fremd, die ganze Umgebung war fremd. Und es war Nacht. Sie konnte nicht einschlafen. So lag sie mit geöffneten Augen und hinter dem Kopf verschränkten Armen da und starrte in die Dunkelheit des Gästezimmers. Ihre Welt war in den Grundfesten erschüttert. Kelmar hatte geheiratet!
    Wie konnte er nur?! Unglücklich lauschte sie in sich hinein. War da nicht ein Funke von Hoffnung - tief im Inneren ihres Herzens? Das Gesicht Niobes tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Jene war ganz offensichtlich unzufrieden mit ihrem Schicksal. Weshalb nur? Müsste sie nicht vor Glückseligkeit jubeln - mit diesem Mann an ihrer Seite? Kelmar...
    Langsam schlug Kyrana die Decke zurück und erhob sich aus dem Bett. Auf nackten Füßen und nur bekleidet mit ihrem weißen Unterkleid, machte sie sich auf den Weg zur Zimmertür. Das Mondlicht drang fahl durch ein kleines Fenster und wies ihr den Weg. Leise drückte sie die massive Klinke hinunter und stand Sekunden später auf jenem langen Flur, an dessen Ende die Bibliothek zu finden sein müsste.
    Kelmar hatte ihr das Gästezimmer zur Verfügung gestellt, damit sie nicht des Nächtens im Wald umher irren musste. Wie fürsorglich von ihm! Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, während sie die ersten Schritte in den Gang tat und dann still verharrte.
    Fackelschein ließ bizarre Schatten über die Wände tanzen und die Gesichter auf den Portraits lebendig erscheinen. Lauschend legte sie den Kopf schief und spähte den düsteren Flur entlang. Niemand war zu sehen, sodass sie sich wagte, auf nackten Sohlen der Bibliothek entgegen zu eilen.
    Damit sie dort nicht wieder im Dunkeln tappen würde, nahm sie aus einer der Wandhalterungen eine Fackel heraus. Vorsichtig öffnete sie kurz darauf die schwere Tür der Bibliothek und lugte durch den Spalt. Dunkelheit und Stille taten sich vor ihr auf. So hob sie die Fackel, trat ein und schloss sorgsam die Tür hinter sich. Die Beine zum Schneidersitz übereinander geschlagen, saß sie wenig später in einem der großen Ohrensessel.
    Auf ihren Knien lag ein dickes, in Leder gebundenes, Buch. Leise raschelten die Pergamentseiten, als sie umblätterte. Kyranas Stirn kräuselte sich angestrengt, während ihr Zeigefinger die Reihen der Lettern entlang fuhr. Wie ein Schleier rahmte das weiße Haar ihre feinen Züge ein und verlor sich zu beiden Seiten des Buches in ihrem Schoß. Endlich hatte sie jenes Symbol gefunden!
    Lautlos bewegten sich ihre Lippen, während sie die Worte las, welche ihr die lange gesuchte Erkenntnis geben würden. Mit der linken Hand hielt sie dabei den Anhänger der Kette fest umfasst. Dabei kam es ihr vor, als durchströmte wohlige Wärme ihre Finger, je weiter ihre Augen die Worte ergründeten. Leben und Tod.
    Dies waren die Bedeutungen des geheimnisvollen Zeichens. Wobei es wohl davon abhing, wie herum es stand. Das Pergament, welches den Magier auf der Lichtung verbrennen ließ, zeigte jenes Symbol auf dem Kopf stehend. Also verhieß es den Tod. Eilig blätterte sie eine Seite weiter und fand seltsame Worte, deren Bedeutung sie nicht verstand. Sinnlos schienen sie aneinander gereiht zu sein. Vielleicht war es ein Spruch, ein Magiespruch? Ohne groß zu zögern begann

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