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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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bemerken, dass sie nicht auf seine Worte gehört hatte.
    Wie sehr hatte er sich doch geirrt! Die Magie schadete ihr nicht. Jetzt nicht mehr. Zu Anfang vielleicht. Aber, aller Anfang war ja bekanntlich schwer. Das ledergebundene Buch hatte ihr nach und nach seine Geheimnisse enthüllt. Und trotz einiger 'Unfälle' war es ihr gelungen, die Magie unter ihre Kontrolle zu bringen. Es faszinierte sie, Herrscherin über den Tod zu sein. Es half ihr, sich nicht mehr so verlassen zu fühlen und erfüllte sie von den Zehen bis zu den Haarspitzen mit glühendem Leben.
    Sie hatte sich angewöhnt, kein Schuhwerk mehr zu tragen, weil sie es liebte, wie die Gräser unter ihren nackten Füßen eine bräunliche Färbung annahmen. Ein Zeichen dafür, dass die Macht der todbringenden Magie inzwischen fest in ihrem Körper verankert war. Kaum sichtbar noch, aber vorhanden. Manchmal machte sie sich einen kleinen Spaß daraus, jemanden an der Schulter zu berühren. Die erschrockenen Gesichter der Leute in diesem Moment gaben ihr Genugtuung für jedes beleidigende Wort, welches sie hatte ertragen müssen. Kyrana blickte in die entsetzt aufgerissenen Augen und wusste, was jene fühlten:
    Schwäche und die Ahnung über einen bevorstehenden Tod. Sie selbst war stark in diesen Augenblicken und sie genoss es. Längst brauchte sie die Formeln der Magie nicht mehr laut zu sprechen. Es genügte, wenn sie sich konzentrierte und fest daran dachte. Der Zauber war stets in ihr und schlummerte nur, bis sie ihn zum Leben erweckte. Sie war eine Hexe, ja. Und sie war stolz darauf.
    *
    Es war der Tag ihres zwanzigsten Wiegenfestes. Schon bei den ersten Sonnenstrahlen erhob sich Kyrana und legte eines ihrer schwarzen Gewänder an. Sie trug nur noch Schwarz. Weil es ihre geheimnisvolle Ausstrahlung unterstrich, wie sie fand. Wenn sie schon besonders sein sollte, dann richtig. Lange bürstete sie ihr Haar, welches ihr mittlerweile silbern bis zu den Hüften fiel. Dann warf sie sich Kelmars Umhang über die Schultern und schlich sich durch die Hintertür aus dem Haus.
    Die Morgenluft duftete erfrischend nach taubedeckten Blüten und frischem Gras, als sie ihre nackten Füße in Richtung des Waldrandes lenkte. "Akash!" rief sie und blieb stehen. Leises Vogelgezwitscher begrüßte sie aus den Baumkronen und übertönte die geschmeidigen Schritte des weißen Wolfes, als er sich ihr näherte. Seine feuchte Schnauze stupste in ihre Hand und schwarze Augen sahen sie an. Sanft strich Kyrana durch das dichte Fell und lächelte. "Guten Morgen, mein Schöner."
    Anmutig ließ sie sich auf einem umgestürzten Baumstamm nieder und genoss es, wie das mächtige Tier sich neben ihr auf den Waldboden setzte und seinen Kopf auf ihren Schoß bettete. Funkelnde Sonnenstrahlen brachen sich in seinen Augen, als er sie unverwandt ansah, als verstünde er jedes Wort, das sie an ihn richtete. "Ich habe gar nicht viel Zeit, weißt du?" Sprach sie leise. "Heute ist mein Wiegenfest und Mutter wartet sicherlich schon mit dem Frühstück.
    Vater ist gestern mit dem Karren in die Stadt gefahren und noch immer nicht zurückgekehrt." Sie seufzte leise. Dies würde das erste Wiegenfest ohne ihren Vater sein. Ein seltsames und trauriges Gefühl. Schnell fuhr sie erneut mit der Hand über den Kopf des Wolfes. "Vielleicht darf ich ja am heutigen Abend etwas von Mutters Beerenwein trinken. Es wäre das erste Mal, aber nun bin ich ja schließlich erwachsen!
    Gegen Sonnenhochstand werde ich hierher zurückkehren. Dann machen wir beide einen Ausflug zu unserer Lichtung, hörst du?" Sie nickte dem Wolf zu und schob sachte seinen Kopf von ihren Beinen. "Nun muss ich gehen, Akash. Achte auf dich!" Eilig trat sie den Rückweg an und erreichte schon bald wieder die Hintertür des Häuschens. Dort sah sie sich noch einmal um. Unverändert verharrte der Wolf am Waldrand und sah ihr nach.
    *
    Als sie die Küche betrat, war der Tisch ungedeckt und es grüßte sie auch nicht die liebevolle Stimme ihrer Mutter. Stattdessen, saß diese auf einem der Holzstühle und weinte. In der zitternden Rechten hielt sie ein zerknülltes Pergament. "Mutter?" Erschrocken blieb Kyrana stehen. Hilflosigkeit und Angst machten sich in ihr breit. "Was...ist denn geschehen?"
    Die bebende Hand Jaras hielt das Papier in ihre Richtung. Ein gequältes Schluchzen kam, einer Antwort gleich, über ihre Lippen. Langsam setzte Kyrana sich hin und las die wenigen Zeilen. In knappen Worten teilte der Hauptmann der Wachen mit, dass man Vedyns
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