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Nachtzug nach Lissabon: Roman (German Edition)

Nachtzug nach Lissabon: Roman (German Edition)

Titel: Nachtzug nach Lissabon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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Mariana Eça hatte ihn angerufen und ihm erzählt, worum es ging. Die halbe Stadt Lissabon, dachte Gregorius, schien damit beschäftigt, ihn anzumelden und weiterzureichen, man konnte beinahe schon von einem Ringelreihen des Voranmeldens sprechen, er konnte sich nicht erinnern, etwas Ähnliches erlebt zu haben.
    CEDROS VERMELHOS – einen solchen Verlag, sagte Simões, habe es in den dreißig Jahren, in denen er im Buchgeschäft sei, nicht gegeben, da sei er sich sicher. UM OURIVES DAS PALAVRAS – nein, auch von diesem Titel habe er noch nie gehört. Er blätterte, las hie und da einen Satz, und es kam Gregorius vor, als warte er darauf, daß das Gedächtnis vielleicht doch noch etwas zutage fördere. Schließlich blickte er noch einmal auf das Erscheinungsjahr. 1975 – da sei er noch in der Ausbildung in Porto gewesen und hätte von einem Buch, das im Selbstverlag erschien, nichts erfahren, schon gar nicht, wenn es in Lissabon gedruckt worden sei.
    »Wenn es einer weiß«, sagte er und stopfte eine Pfeife, »dann ist es der alte Coutinho, der das Geschäft hier vor mir hatte. Er ist bald neunzig und verrückt, aber sein Gedächtnis für Bücher ist phänomenal, ein wahres Wunder. Anrufen kann ich ihn nicht, weil er kaum noch etwas hört; aber ich gebe Ihnen ein paar Zeilen mit.«
    Simões ging in die Ecke zu seinem Arbeitstisch und schrieb etwas auf einen Notizzettel, den er in einen Umschlag steckte.
    »Sie müssen Geduld mit ihm haben«, sagte er, als er Gregorius den Umschlag reichte, »er hat viel Pech gehabt in seinem Leben und ist ein verbitterter alter Mann. Aber er kann auch sehr nett sein, wenn man den richtigen Ton trifft. Das Problem ist, daß man nie zum voraus weiß, welches der richtige ist.«
    Gregorius blieb lange im Antiquariat. Eine Stadt durch die Bücher kennenlernen, die es da gab – so hatte er es schon immer gemacht. Seine erste Auslandsreise als Student war nach London gegangen. Auf der Fähre zurück nach Calais war ihm klar geworden, daß er in den drei Tagen außer der Jugendherberge, dem Britischen Museum und den vielen Buchläden darum herum so gut wie nichts von der Stadt gesehen hatte. Aber dieselben Bücher könnten doch auch ganz woanders stehen! , sagten die anderen und schüttelten den Kopf über all die Dinge, die er versäumt hatte. Ja, aber tatsächlich stehen sie nicht woanders , hatte er erwidert.
    Und nun stand er vor den deckenhohen Regalen mit all den portugiesischen Büchern, die er eigentlich gar nicht lesen konnte, und spürte, wie er Berührung mit der Stadt aufnahm. Als er am Morgen das Hotel verlassen hatte, war es ihm vorgekommen, als müsse er, um dem Aufenthalt hier einen Sinn zu geben, so schnell wie möglich Amadeu de Prado finden. Doch dann hatte es die dunklen Augen, das rötliche Haar und die schwarze Samtjacke von Mariana Eça gegeben, und nun gab es all diese Bücher mit Namen der früheren Besitzer, die ihn an die Schriftzüge von Anneli Weiss in seinen Lateinbüchern erinnerten.
    O GRANDE TERRAMOTO . Außer daß es 1755 stattgefunden und Lissabon verwüstet hatte, wußte er von dem großen Erdbeben, das den Glauben an Gott bei so vielen Menschen ins Wanken gebracht hatte, nichts. Er nahm das Buch aus dem Regal. Das Buch daneben, das dadurch in eine schiefe Lage geriet, trug den Titel A MORTE NEGRA und handelte von der Pestepidemie im 14. und 15. Jahrhundert. Mit beiden Büchern unter dem Arm ging Gregorius auf die andere Seite des Raums zur Literatur. Luís Vaz de Camões; Francisco de Sá de Miranda; Fernão Mendes Pinto; Camilo Castelo Branco. Ein ganzes Universum, von dem er noch nie etwas gehört hatte, auch nicht durch Florence. José Maria Eça de Queirós, O CRIME DO PADRE AMARO . Zögernd, als sei es etwas Verbotenes, nahm er den Band aus dem Regal und tat ihn zu den beiden anderen. Und dann, mit einemmal, stand er davor: Fernando Pessoa, O LIVRO DO DESASSOSSEGO . Eigentlich war es unglaublich, aber er war nach Lissabon gefahren, ohne daran zu denken, daß er in die Stadt des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares fuhr, der an der Rua dos Douradores arbeitete und aus dem heraus Pessoa Gedanken aufschrieb, die einsamer waren als alle Gedanken, von denen die Welt vor ihm und nach ihm gehört hatte.
    War es so unglaublich? Die Felder sind grüner in der Beschreibung als in ihrem Grün. Dieser Satz von Pessoa hatte zu der schrillsten Episode geführt, die es zwischen ihm und Florence in all den Jahren gegeben hatte.
    Sie hatte mit Kollegen im Wohnzimmer

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