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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Wiederkehr der guten alten Zeit willkommen. Der erste hatte seine oberförstergrüne Kappe aufbehalten, die sahnehäubchenmäßig mit einem Hirschhornknopfpärchen über dem Schild verziert war. Er sah aus wie einer, der Ordnungswidrigkeiten gerne mal mit der Flinte ahndete. Sein Gegenüber trug graue Knickerbocker mit grünen Wollsocken, eine Hausmeistertype, die von einer Aufseherkarriere mit erweiterten Kompetenzen träumte.
    Ich hatte überhaupt nicht daran gedacht, meine Kleidung anzupassen. Mit Jeans und dem lila T-Shirt unter der Lederjacke war ich von Anfang an ein Fremdkörper. Als ich mir eine Apfelschorle bestellte, linsten wieder einige zu mir herüber. Dass ich so unter Beobachtung stand, kam mir ungelegen. Also orderte ich ein Salamibrot mit Gürkchen, um mich hinter etwas Unverfänglichem verstecken zu können. Auf einen schnellen Erfolg war ich nicht eingestellt. Es hätte mir vorerst genügt, einen Schwachpunkt ausfindig zu machen, einen Mitläufer unter den Kameraden zu erkennen, den man sich später einmal greifen konnte und der in der Konfrontation außerhalb der Gruppe einknicken würde.
    Immer mehr Junge kamen in die Kneipe. Sie begrüßten sich mit erhobener Hand.
    – Sieg Heil!
    Den wachsenden Haufen beobachtete ich aus der Ferne. Ich saß neben dem Windfang, den Ausgang in Reichweite zu haben, machte mich deutlich ruhiger. Vorsichtshalber hatte ich auch schon für meine Zeche einen Schein unter den Bierfilz geklemmt. Ich konnte jederzeit aufstehen und gehen. Von dem, was am Stammtisch verhandelt wurde, bekam ich nichts mit. Sie steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich nur mit gedämpfter Stimme. Der Ton war subversiv, und der Grund lag klar zutage: Man hielt mich für einen Spitzel.
    Eigentlich war das Projekt da schon verbrannt. Ich hätte den aussichtslosen Versuch abbrechen sollen. Dass ich dann doch noch in eine Eskalation hineinrutschte, dafür gab es keinen anderen Grund als den, dass ich sie gesucht hatte, um mir wenigstens die erfolgreiche Bewältigung meiner Angst beweisen zu können. Gegenüber am Stammtisch wurden sie munterer. Irgendwann stand einer auf und schob eine CD in die Musikanlage. Und los ging es mit deutschnationalem Rock, diesem heiseren Beilgesang, aus dem unsereiner nur Schlüsselparolen wie Odin oder Kanake heraushören konnte. Bei manchen Liedzeilen erhoben sich einige am Tisch, grölten mit und hielten das Bierglas hoch. Nationale Bierzeltatmosphäre kam auf. Als die Musik zu Ende war, skandierten sie: Deutschland! Deutschland! Ein hochgewachsener Kerl griff sich eine Bierflasche und näherte sich meinem Tisch.
    – Deutschland!
    Er hob die Flasche wie einen Kelch gen Himmel, nahm einen tiefen Schluck und setzte sie krachend ab. Beidarmig abgestützt baute er sich vor mir auf.
    – Trink! Aufs Vaterland.
    Er schob die Flasche über den Tisch. Die Kameraden hinter ihm reckten die Hälse, um alles mitzubekommen. Mich über die Klinge springen zu lassen, versprach ein Riesenspaß zu werden. Der Keil einer eintätowierten Streitaxt ragte über den Kragen seines T-Shirts hinaus, sein Kopf war kahl geschoren, und am Kinn trug er ein pinselartiges Bärtchen. Er war mir so nah gekommen, dass ich anfangen konnte, die Herde seiner Pickel zu zählen, die über sein Gesicht hinwegzog. Ich schob die Flasche zu ihm zurück.
    – Ist zu viel Sabber dran.
    Auf so etwas hatte er gewartet. Blitzschnell packte er mich am Hemd und riss mich hoch. Ich war nun eine gute Stunde innerlich sprungbereit dagesessen und hatte vor Anspannung einigen Schweiß vergossen. Aber jetzt war es so weit. Ich gab ihm mit beiden Fäusten, Fingerknöchel voraus, zugleich links und rechts einen kräftigen Stoß auf die empfindlichen Stellen unter den Achseln. Nicht die Wucht des Schlages, sondern ein Schutzreflex brachte ihn dazu, mich sofort loszulassen und beide Arme an den Brustkorb zu pressen. Er schrie auf, gewann jedoch rasch seine Fassung wieder und griff sich die Bierflasche wie eine Keule. Ich hatte den Totschläger bereits aus dem Hosenbund gezogen und schlug zu. Klirrend zerscherbte das braune Glas, und Splitter verteilten sich über den Boden. In pfeifenden Schlägen zog ich die Stahlrute einige Male durch die Luft. Der Pinselbart wich zum Stammtisch zurück, wo es seine Kameraden nicht mehr auf den Stühlen hielt.
    – Her mit euch!
    Ich winkte sie heran. Niemand rührte sich, das Überraschungsmoment war ganz auf meiner Seite. Ohne mich von ihnen abzuwenden, ging ich rückwärts

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