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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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grußgedrillten Blick, mit dem er schon auf der Kurzdistanz von fünfzig Metern drei durch Nicken oder Handheben zu adressierende Bürger ausmachte, verriet er, wie zu Hause er hier in seinem Bezirk war. Seine Wampe schob er als ruhige Kugel vor sich her; zum Ausgleich setzte er eine lebhafte Schulterarbeit ein und schlenkerte seine Ärmchen wie Propeller um den Leib, um zusätzliche Schubkraft für die Vorwärtsbewegung zu erzielen. Ich wusste sofort: Dieser Mann ist gefährlich!, und schlug mich in die Büsche.
    Ich hatte den richtigen Riecher gehabt, denn irgendetwas schien ihm nicht zu gefallen. Unschlüssig stand er da und schaute zum Atelier hin. Schließlich ging er den Weg nach hinten. Er klopfte an die Tür und rief:
    – Ist jemand da?
    Dann umrundete er die Garage und lugte ins Innere. Schließlich öffnete er sein Ledertäschchen, das er an einem langen Riemen über der rechten Schulter trug, entnahm einen Block, vermutlich um ein amtliches Protokoll zu skizzieren. Das Objekt wurde einer Überprüfung unterzogen, es konnte niemand angetroffen werden, Datum, Uhrzeit, gezeichnet, im Auftrag PM Britzl.
    Mein Versteck im Gebüsch war unbequem. Ich kam nicht nach der anderen Seite durch, über die Zufahrt abzuhauen, war nicht angeraten, PM Britzl – oder wie er sonst heißen mochte – hätte mich auf jeden Fall bemerkt. Das aber drohte mir auch so, als er zurückkam und unausgesetzt in meine Richtung schaute. Ich hatte mich schon aufgegeben, als ich die Motorsäge bemerkte, die an eine Tanne gelehnt stand. Ich griff sie mir, beugte mich über sie und begann, ohne aufzublicken, daran herumschrauben. Mein lädiertes Gesicht würde keiner polizeilichen Überprüfung standhalten.
    Jetzt nahm er mich wahr.
    – Sie sind nicht vom Haus, oder?
    Ich zog ostentativ an der Kette, wie um den Motor der Säge zu anzuwerfen. Handwerker bei der Arbeit sind genauso sakrosankt wie Polizisten bei ihrer.
    – Nein.
    – Gesehen haben Sie auch niemand da herinnen?
    – Nein.
    Ich zerrte wieder an der Kette. Hinter mir herrschte unschlüssiges Schweigen. Endlich hörte ich, wie er abdrehte und wegging.
    Aller Voraussicht nach sollte nun Ruhe sein und das Atelier zumindest vorläufig ein sicherer Ort.
    Ich gab mir noch ein paar Minuten und machte mich dann zur Bäckerei Zindl auf. Die Bedienung grüßte mich freundlich, allerdings nur deshalb, weil sie noch mit dem Wischen der Theke beschäftigt war. Als sie aufblickte und meine zerdengelte Fresse bemerkte, fuhr ihr der Schreck in alle Glieder. Wie viel musste ich erst ausgeteilt haben, wenn ich derart einstecken konnte. Wenn sich einer solchen brutalen Prügeleien unterzog, war ihm alles zuzutrauen. Sicher hätte sie mir auf Anfrage hin die Kasse ausgehändigt. Sie war hektisch und nervös, versuchte dabei aber einen forciert freundlichen Eindruck abzugeben. Ich versorgte mich mit frischen Semmeln und Streichkäse. Beides war weich und schmal genug, um es durch den Spardosenschlitz zu schieben, zu dem ich meinen Mund öffnen konnte. Ich sah ihr an, wie glücklich ich sie durch meinen Abschiedsgruß machte.
    Ein ganzes Stück weiter, an der Silberhornstraße, boten Verkäufer schon die Zeitungen von morgen an. So bepackt ging ich in meine Garage zurück.
    Ich brühte mir einen Tee, schmierte mir die Semmeln und studierte die Zeitungen. Natürlich war Wolfertshofers Tod der Aufmacher. Da wurden viele alte Fotos von ihm abgedruckt, dazu Stimmen von Kollegen und Weggefährten. Über die Tat selbst, mögliche Motive und Hintergründe stand nichts zu lesen. Kein Fahndungsaufruf, keine Täterbeschreibung – ich konnte mich in der Öffentlichkeit noch blicken lassen. Auch von den Nationalen Kameraden war keine Rede. Aber das musste nichts heißen. Warum sollte die Polizei vorschnell ihr Wissen preisgeben?
    Jetzt, wo die dringlichsten Nöte abgetan waren, griff dieses trostlose Gefühl von Verlassenheit mit seinen kalten Fingern nach mir. Ich sinnierte vor mich hin, dann tat ich es doch und rief Julius an.
    – Bist du dabei gewesen?
    Julius schnaufte schwer vor Hektik und innerem Druck. Ich schloss eine Weile lang die Augen, um mich selbst noch einmal zu sammeln. Dann erzählte ich ihm so kurz wie möglich die Geschichte. Mich ihm anzuvertrauen, tat mir gut.
    – Und du glaubst, dass die NK ihn auf dem Gewissen haben?
    – Wer sonst? Dieser Mord kam doch mit Ansage.
    Jetzt dachte Julius nach.
    – Hör mal, Gossec! Du hast getan, was du konntest. Diese Tat war nicht zu verhindern.
    –

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