Nackt schlafen ist bio
nicht gerade sonderlich am Herzen, ihn zu retten. So benutzt sie zu Hause durchaus die Biotonne und den Altglascontainer und so weiter, weil sie vor ihrer Nase stehen, aber sie gehört unverkennbar einer Generation an, die allergrößten Wert auf Marken und Logos legt. Als sie einmal einen Ferienjob in einer Boutique in der Innenstadt hatte, sparte Emma jeden Penny, den sie in den zwei Monaten verdiente, um am letzten Tag alles für eine Louis-Vuitton-Handtasche auszugeben, die nicht größer war als das Croissant, das sie an diesem Tag zum Frühstück verspeiste. Auch hat sie die frappierende Fähigkeit, mit einem flüchtigen Blick auf die Gesäßtasche einer Jeans sofort zu wissen, ob es sich um eine Seven, eine Fidelity oder eine Rock&Republic handelt, und einem dann zu erklären, was das über den Träger der Hose aussagt. Im Allgemeinen gilt, je teurer das Teil, desto cooler. (Obwohl Emma dezentes Auftreten für das A und O hält; jede protzige Zurschaustellung von Geld ist geschmacklos.)
Als ich an diesem Abend mit meiner Schwester essen und danach auf einen Drink ging, versuchte ich ihr zu erklären, warum ich mich entschlossen hatte, kein Geschenkpapier mehr zu benutzen und meine Präsente stattdessen in alte Zeitungen, wiederverwendbaren Stoff oder auch gar nicht einzuwickeln. Aber – wie sollte es auch anders sein? – Emma verstand nur Bahnhof.
»Das gehört doch zu einem Geschenk dazu«, sagte sie. »Und wie verhindert das Nichteinpacken von Geschenken überhaupt, dass all diese Eisdinger im Norden schmelzen?«
»Du meinst die Eiskappen? Am Nordpol?«
»Ich dachte, das heißt Eiskappu und ist die Abkürzung für einen Iced Cappuccino?«
»Ha ha«, erwiderte ich. »Nein, es geht um die Gletscher, die wegen der Klimaerwärmung schmelzen, weshalb es wichtig ist, kein Papier zu verschwenden, für das Bäume gefällt werden müssen.«
»Aber es ist keine Verschwendung, es sieht hübsch aus. Wenn ich eine dieser himmelblauen Tiffany-Tüten unter dem Weihnachtsbaum sehe, macht mich das fast so glücklich wie der Inhalt.«
Das stimmt. Emma zieht großen ästhetischen Genuss aus Geschenkpapier, hübschen Schachteln und eleganten Einkaufstüten. Angeblich hat man sie sogar schon zweimal um denselben Häuserblock spazieren sehen, nur um mit der neuen Tiffany-Tüte in ihrer Hand anzugeben.
»Weißt du«, sagte sie, »es müsste eine Stofftasche geben, die genauso aussieht wie eine Tiffany-Tüte und nie schmutzig wird oder knittert, dann würde ich auf Einwegplastiktüten verzichten.«
Ich verdrehte die Augen.
Doch ich musste zugeben, dass das gar keine so schlechte Idee war.
4. APRIL , 35. TAG
Wechsel zu veganer Zahnseide
In den Regalen der Bioläden liegen eine Menge merkwürdiger Dinge: Sojanaise (Mayonnaise ohne Kuhmilch und Ei), Carob-Riegel (Schokoriegel ohne Kakao), Gemüseburger (Burger ohne Fleisch). Aber als ich gestern bei Noah’s durch den Gang mit den Hygieneartikeln schlenderte, sah ich neben der Backnatron-Zahnpasta und dem Mundwasser auf Myrrhebasis etwas noch Bizarreres: vegan gewachste Zahnseide. Das ist tatsächlich genau das, was die Bezeichnung sagt: Zahnseide, die vegan gewachst wurde. Nicht »für Veganer geeignet« oder biologisch gewachst, sondern vegan gewachst. Ich las den Aufdruck auf der recycelbaren Pappschachtel, und die Sache wurde klarer: Die Firma Eco-Dent behauptet, dass bei der Herstellung weder Bienenwachs noch Paraffin oder andere Erdölprodukte verwendet wurden, der Faden ist mit vierzehn verschiedenen ätherischen Ölen getränkt. Außerdem sind etwa 90 Meter Faden in der Packung, das ist wesentlich ökonomischer als bei den meisten anderen Marken.
Na ja, aber ist das nicht vielleicht ein bisschen übertrieben, ich meine, welche Hersteller verwenden denn überhaupt Bienenwachs? Und falls es solche Marken gibt, stören sich Veganer wirklich daran? Sind sie in puncto Zahnhygiene tatsächlich so streng? Ich beschloss, es herauszufinden.
Allerdings gab es dabei ein Problem. Ich kannte keine Veganer.
Also ging ich um die Ecke in ein veganes Restaurant, bestellte einen großen Salat mit Tofuwürfeln und erkundigte mich bei der Bedienung.
Fresh, ein beliebtes Franchise-Unternehmen, das in Toronto von Kids der Generation Y betrieben wird, die graziöse Arme und blasse Gesichter haben und entweder ein Nicki-, ein Palästinensertuch oder einen Häkelschal um den Hals tragen, ist auf Smoothies und vegane Kost spezialisiert. Trotz der stereotyp vegan aussehenden
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