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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
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sehnte mich nach der vertrauten Welt aus Gemüsepfannen und monatlichen Spenden für den Tierschutz zurück und flüchtete mich um Verzeihung bittend erneut in seine herzliche Umarmung.
    Und so geht es seitdem bis heute ständig hin und her. Die einzige Konstante in meinem Pseudo-Vegetarismus ist die schon erwähnte Aversion gegen Schweinefleisch und Dinge wie Presssack oder Zunge – ich habe mal in einem Feinkostladen gearbeitet, wo ich für die Kunden oft Zunge in Aspik aufschneiden musste. Dieses Fleisch war am schwersten zu schneiden, weil es in der Schneidemaschine auseinanderbröckelte und die Stückchen dann durch die Gegend flogen und überall kleben blieben: an den Wänden, auf dem Boden, im Haar der Kunden. Einmal ist mir ein ziemlich großes Stück kalter Zunge in den Ausschnitt gerutscht. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich dies als sexuelle Belästigung empfand.
    Inzwischen weiß ich, dass ich ganz bestimmt kein Tier leiden sehen möchte, aber ich habe Vertrauen zu den kleinen Familienbetrieben, wo die Kühe auf der Weide grasen, die Hühner in riesigen Ställen herumrennen und Tiere schnell und human geschlachtet und nicht nach einem langen Transportweg in Schlachthäuser getrieben werden, wo es überall nach Angst und Tod riecht. Ich halte es für ökologisch vertretbar, Eier und auch Milchprodukte zu essen, vorausgesetzt, es ist alles hormonfrei und nicht genetisch verändert. Meine Familie hat immer versucht, möglichst »glückliches Fleisch«, wie wir es liebevoll nennen, auf den Tisch zu bringen, also aus vorzugsweise ökologischer Freilandhaltung in unserer Region.
    Doch ich esse immer noch nicht viel Fleisch – höchstens etwa einmal pro Woche –, denn mir ist klar, wie stark die Umwelt dadurch belastet wird, angefangen beim Methan durch die Rinderfürze bis hin zum Stickstoff der Hühnerkacke und dem immensen Land- und Wasserverbrauch nicht nur durch die Tiere an sich, sondern vor allem für ihr Futter.
    Um also eine lange Geschichte (ein bisschen spät) abzukürzen: Ich beschränke mich hiermit offiziell darauf, nur noch hormonfreies Fleisch aus artgerechter Haltung zu essen, und was Rindfleisch betrifft, muss es aus Weidehaltung stammen und möglichst regionaler Herkunft sein. Es wird nicht einfach sein, das einem Kellner zu erklären, und zweifellos werden es sich die Leute zweimal überlegen, ob sie mich in den nächsten zehn Monaten wirklich zu sich nach Hause zum Essen einladen – »Willst du tatsächlich, dass Vanessa kommt? Sie ist so … heikel geworden« –, aber zumindest kann ich meine Affäre mit Singer wieder ein bisschen aufleben lassen und vielleicht mit all den Vegetariern, die mein Blog besuchen, hitzige Diskussionen über ethisch korrekte Ernährung führen.
    17. APRIL , 48. TAG
    Haarentfernung dauerhaft durch Laser statt mit Wachs
    Journalisten und PR -Leute können normalerweise nicht gut miteinander. Das liegt daran, dass Journalisten ständig von Pressemitteilungen überschwemmt werden, meist zu total langweiligen oder abseitigen Themen, über die zu berichten es sich nicht lohnt. Und diese Pressemitteilungen schicken ihnen die PR -Leute im Auftrag von Kunden, die scharf auf Medienpräsenz sind. Aber in den vier Jahren, die ich jetzt als Journalistin arbeite, habe ich es dennoch irgendwie geschafft, allen Widrigkeiten zum Trotz eine solche Freundschaft zu schließen – mit einer Frau, der ich vertrauen kann und die mich nie mit öden Geschichten nervt. Allerdings ist Sarah, das ist das Witzige, unglaublich gut in ihrem Job; wenn sie eine Fernsehdokumentation über alte Kathedralen in Italien machen würde, wäre das das Unterhaltsamste, was seit Jahren über den Äther ging – bevor ich noch wüsste, wie mir geschieht, würde ich Brad Pitt, den ich gerade interviewe, auf dem roten Teppich stehen lassen, um stattdessen in der Bibliothek die Baugeschichte des Petersdoms zu recherchieren.
    Gestern hinterließ mir Sarah eine hektische Nachricht auf meinem Anrufbeantworter im Büro, sie redete wie ein Wasserfall, und die einzigen Worte, die ich verstehen konnte, waren »Fotostrecke«, »Margaret Atwood« und »Blog«. Ich rief sie zurück.
    Wie sich herausstellte, war sie bei einem Fototermin für eine hiesige Zeitschrift gewesen, um berühmte umweltbewusste Paare in Toronto für die nächste Titelstory zu porträtieren. Auch die bekannte Schriftstellerin Margaret Atwood war darunter, sie ist Mitglied der Green Party of Canada und vertritt ihre Meinung zu

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