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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
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als Betrügerin, weil ich ein Auto habe und fahre. Ja, ich kam jahrelang ganz gut ohne aus, aber ein Auto zählt – wie echter Champagner, sobald man ihn einmal gekostet hat – zu den Dingen, auf die man nur schwer wieder verzichten kann.
    Doch dann bekam ich den Auftrag, über Hot Docs zu berichten, das Dokumentarfilmfestival in Toronto, und entdeckte im Programm den Kurzfilm To Costco and Ikea Without a Car , ein Erstlingswerk des Regisseurs Peter Tombrowski. Er hat neun Jahre lang ohne Auto in einem Vorort von Calgary gewohnt und dokumentiert mit einer normalen Videokamera, untermalt mit fetziger Musik und nicht wenig Ironie, eine Expedition aus jüngster Zeit, nämlich – zu Fuß! – in den Großmarkt. Außerdem hat er im Selbstverlag ein Buch über diese Lebensweise herausgegeben, Urban Camping . Ich beschloss, es im Internet zu bestellen, dann wollte ich ihn unter dem Vorwand eines Interviews anrufen und ihn fragen, ob es sich seiner Meinung nach lohne, Vollzeit-Fußgänger zu werden.
    »Hallo, Peter«, sagte ich, als ich ihn eines Nachmittags an die Strippe bekam. »Was hat Sie wirklich dazu gebracht, Ihr Auto abzuschaffen? Doch nicht die Umwelt, oder? Nicht vor neun Jahren?«
    »Nein, den Ausschlag hat die Geburt unseres ersten Kindes gegeben«, antwortete er. »Oh, und dann natürlich die Schulden. Meine Frau und ich hatten irgendwie das Bedürfnis, als junge Eltern unser Leben zu ändern und mehr Verantwortung zu übernehmen, aber wir waren auch gerade umgezogen und plötzlich knapp bei Kasse. Der schnellste Weg, an Geld zu kommen, war, unseren Transporter zu verkaufen. Was uns zuerst Angst machte, keine Frage, aber mit der Zeit entwickelte sich daraus eine gewisse Freiheit.«
    Ob er es denn niemals bereut habe?
    »Nein«, erwiderte er. »Ständig höre ich von Verkehrsunfällen, Staus, gesperrten Straßen – lauter Sachen, die einen kaum betreffen, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Allerdings sollte man nicht aufs Geratewohl und nur richtig ausgerüstet losziehen – man braucht Goretex-Kleidung und Wanderstiefel, das haben wir uns natürlich dann zugelegt. Es ist ziemlich lustig, wir sehen aus, als wollten wir einen Berg besteigen, dabei gehen wir nur zur Videothek.«
    Nein, das fand ich nun überhaupt nicht lustig. Ehrlich, ich habe keine Goretex-Jacke mehr getragen, seit ich in der sechsten Klasse mit der Schule zelten war. Kein Film ist eine solche Modesünde wert.
    Doch ich stellte ihm eine weitere Frage – was war Peters Meinung nach das Beste am autofreien Leben?
    Wieder nannte er die Freiheit , dann erwähnte er noch, dass er ein besserer Ehemann und Vater geworden sei. Freiheit? Elternschaft? Das klang doch ziemlich weit hergeholt.
    »Noch schöner ist allerdings«, fuhr Peter fort, »dass wir beim Gehen immer langsam genug unterwegs sind, um jederzeit stehen bleiben und uns unterhalten und die Welt um uns betrachten zu können. Unsere Kommunikation ist besser, und wir denken insgesamt mehr nach.«
    »Aha«, sagte ich immer noch skeptisch. »Und was ist das Schlimmste daran? Dass es so lange dauert, irgendwohin zu kommen? Goretex-Kleidung tragen zu müssen?«
    Längeres Schweigen, als wüsste er nicht, ob er laut lachen oder beleidigt sein sollte.
    Vielleicht trug er ja gern Goretex.
    »Na ja, manchmal ist die gesteigerte Aufmerksamkeit, die wir erregen, lästig und deprimierend«, bekannte er schließlich. »Vor allem, wenn wir weit und breit die Einzigen auf dem Gehweg sind, kein Mensch vor und kein Mensch hinter uns, und Hunderte von Autos an uns vorbeifahren. Dann kommen wir uns schon manchmal komisch vor. Man muss lernen, gelassener und nicht so unsicher zu sein. Autos sind ein sehr dominanter und bedeutungsträchtiger Bestandteil unserer Welt, man wird darüber definiert, sie sind ein Statussymbol. Deshalb muss man lernen, darüberzustehen.«
    Dann erzählte mir Peter seine »Mikrowellen-Geschichte«. Er brauchte einen neuen Mikrowellenherd und konnte ihn nur zu Fuß nach Hause transportieren. Nachdem er den ganzen Weg zu Costco gegangen war und dann den strapaziösen Heimweg hinter sich gebracht hatte, stellte er zu Hause fest, dass das Gerät zu breit für seinen Standplatz war. Also marschierte er den gesamten Weg wieder zurück, tauschte es in ein anderes Modell um und schleppte dieses nach Hause. Doch als er die Schachtel öffnete, entdeckte er eine Delle darin, also machte er sich ein drittes Mal auf den Weg.
    »Mein größtes Abenteuer war allerdings, bei IKEA einen Schreibtisch

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