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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
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warum ihre Produkte/Dienstleistungen/Geschäftsmodelle etc. umweltfreundlich/nachhaltig/sozialverträglich/vegan/mit Öko-Siegel ausgezeichnet etc. seien, fühlte ich mich mental übersättigt, von dem ganzen Grün überwuchert und hatte die Nase voll.
    Vielleicht lag es an dem schamlos unverblümten Marktgeschrei, an dem ständigen Kaufen-kaufen-kaufen oder an den Scharen von modischen Neohippies mit ihren trendigen Bugaboo-Kinderwagen, die sich rücksichtslos vordrängelten, um möglichst viele kostenlose Proben Öko-Müsli und biologisch abbaubares Gemüsewaschmittel in ihre Mehrwegtaschen zu stopfen. Oder es war die Tatsache, dass mein Presseausweis nicht nur aus handgeschöpftem Recyclingpapier mit Wildblumensameneinschlüssen gefertigt war, sondern zudem an einem Schnürsenkel hing, der stolz verkündete: »Ich war eine Limo-Flasche!« Möglicherweise spielte auch eine Rolle, dass alles in der Farbe Grün gehalten war und es wiederholt durchdringend nach Schweiß und Cannabis roch.
    Jedenfalls war mir das alles zu viel.
    Das hängt vielleicht auch mit meiner schon früher gemachten Beobachtung zusammen, dass diese New-Age-Hippies alles so wahnsinnig ernst nehmen – sie sind oft völlig verbohrt. Es muss bei der Umweltverträglichkeit unbedingt der X-, Y- oder Z-Standard sein, und weil sie dabei nicht die geringste Skepsis an den Tag legen, wirkt das irgendwie schrullig oder sogar wie eine Ersatzreligion. Dann gibt es da noch all die Leute, die endlos schwadronieren, wie erstaunlich umweltfreundlich irgend so ein neues Produkt ist und wie diese oder jene Technologie den ökologischen Fußabdruck auf zehn verschiedene Arten minimieren kann, und dann hüpfen sie in ihre Minivans und fahren zurück in die Vorstadt (der Parkplatz vor der Öko-Messe war übrigens voll – und beileibe nicht nur mit Hybridfahrzeugen).
    Damit will ich nicht sagen, dass ich etwas Besseres bin. Nein, ich bin mindestens genauso eine Heuchlerin. Da erzähle ich der Welt, wie toll ich bin, weil ich Recycling-Küchenpapier benutze, und dann dusche ich 20 Minuten lang extraheiß, ziehe Klamotten an, die den von Naomi Klein in ihrem No Logo -Buch geforderten ethischen Standards absolut nicht entsprechen, und fahre täglich mit dem Auto neun Meilen zur Arbeit und abends wieder zurück.
    Apropos Recycling-Küchenpapier: Ich hatte meinen Rundgang im Kongresszentrum ungefähr zur Hälfte absolviert, als ich den Stand von Cascades, der Herstellerfirma, entdeckte. Er war ziemlich groß – das heißt, er beanspruchte etwa dreimal so viel Fläche wie die meisten anderen Stände –, und es wurden Dutzende von Produkten präsentiert. Bei der Gelegenheit, dachte ich mir, könnte ich gleich meine Vorräte aufstocken, ging zur Theke und fragte, ob ich einen Doppelpack ungebleichtes Küchenpapier kaufen könne.
    »Nein, tut mir leid«, erwiderte die in ein kastenförmiges, marineblaues Business-Kostüm gekleidete Dame, die den Stand betreute. »Das sind alles Ausstellungsstücke.«
    Ich verstand nicht.
    »Aber Sie haben sie doch tonnenweise hier«, sagte ich. »Und diese Firma verkauft das Produkt, das ich gerne kaufen möchte. Ich will ja nur eine Packung, bitte.«
    »Nein, tut mir leid«, lautete ihre Antwort erneut.
    Ich verstand immer noch nicht.
    »Moment mal«, sagte ich. »Wollen Sie damit sagen, dass Cascades all das Geld und die Ressourcen und die Zeit und die Mühe investiert, um extra hierherzukommen, und dann verkaufen sie nicht mal ihre eigenen Produkte?«
    Die Frau zuckte nur die Schultern und schnitt dabei eine Grimasse.
    Das war doch lächerlich! Was für einen Sinn hat eine Öko-Messe, wenn ich dort nicht einmal blödes Küchenpapier kaufen kann? Und wie kann eine angeblich umweltbewusste Firma einfach die CO 2-Belastung ignorieren, die durch den Transport von der Zentrale in Quebec bis hierher nach Toronto für all die Waren, die Werbematerialien und das Verkaufspersonal entsteht, dazu den Platz- und Stromverbrauch für einen dreimal so großen Stand wie üblich, nur damit sie dann im persönlichen Gespräch für ihre Produkte werben kann, sie aber nicht verkauft?
    Ich konnte verstehen, wenn eine Organisation, die sich auf umweltfreundliche Bestattungen spezialisiert hatte, keine biologisch abbaubaren Särge ausstellen wollte, oder wenn eine Carsharing-Firma ihre Autos nicht vor Ort präsentierte (obwohl, dicker Pluspunkt, hier solche Autos sogar zur Verfügung standen). Aber die Green Living Show war keine normale Fachmesse, sondern

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