Nackt schlafen ist bio
versuchten sie entgegenzuwirken, indem sie mich zwischen 1982 und 1995 in jede Tagesfreizeit und in jeden Nachmittagskurs schickten und jede Sportart erlernen ließen, die in dieser Stadt angeboten wurde. Und so war ich irgendwann mal Schwimmerin, Eisläuferin, Squashspielerin, Reiterin oder Stepptänzerin, ich bin in Hallen geklettert, habe Tennis gespielt, war Ballerina und Weitspringerin, habe Kampfsportarten trainiert, bin Alpinski gefahren, aber auch mit Langlaufskiern in der Loipe, und lernte die verschiedensten Wassersportarten kennen. Niemals jedoch war ich, warum auch immer, eine Läuferin. Bis vor kurzem war mir das ziemlich egal, doch dann fingen etliche meiner Freunde an, sich bei Halbmarathons anzumelden, und da ich es zurzeit kaum einmal um den Block schaffe, ohne als japsendes Häufchen Elend zusammenzubrechen, reifte in mir der Entschluss, mit meinen Freunden gleichzuziehen und mindestens zehn Kilometer zu rennen, bevor ich sterbe.
Also begann ich zu trainieren, ich hielt mich haargenau an die Empfehlungen auf der Sporting-Life-Website und hakte täglich die Übungen und Strecken auf meinem Kalender ab. Es lief überraschend gut. Zwar hatte ich hin und wieder Krämpfe oder war völlig erschöpft, aber der Tod durch Herzstillstand blieb aus. Bravo! Doch während sich meine körperliche Form zunehmend verbesserte, galt das leider nicht für meine mentale Verfassung. Binnen kurzem fing ich an, mir Sorgen zu machen – weniger wegen der potenziell ungleichmäßigen Gewichtsverteilung auf meinen Senkfüßen (ich hatte bereits verschiedene Maßnahmen gegen Unter- und Überpronation getroffen) als vielmehr wegen dem ökologischen Fußabdruck, den ich damit hinterließ. Ich hatte gedacht, dass Laufen relativ wenig Kosten verursachen und der Erde kaum Schaden zufügen würde – man braucht dazu nicht Hunderte Liter Chlorwasser, keine Schläger, keine Sicherheitsausrüstung; und da ich geschworen hatte, in diesem grünen Jahr auch kein Laufband zu benutzen, verbrauchte ich nur meine eigene Energie. Was ich allerdings nicht vorausgesehen hatte, waren die sich nach jedem Training auftürmenden Wäscheberge: verschwitzte Socken, Unterwäsche, ein T-Shirt und ein langärmeliges Hemd, dazu noch ein Sport- BH mussten jedes Mal danach gewaschen werden. Außerdem musste man sich, um eine ernsthafte Läuferin zu werden, Trainingspläne ausdrucken und einiges investieren: in neue Schuhe, eine neue Windjacke, spezielle Kopfhörer, die mir beim Rennen nicht aus den Ohren fielen, ein Gürteltäschchen für meinen iPod, eine weiche Wasserflasche zum Umschnallen, ein festsitzendes Haarband, damit mir nicht lose Haare ins Gesicht fielen, und Retro-Schweißbänder aus Frottee für die Handgelenke (okay, Letztere habe ich mir verkniffen, aber ich war nah dran).
Im Lauf der Wochen entwickelte ich ein System, den Wäschehaufen zu minimieren, indem ich das T-Shirt und die Socken, die ich am Vortag bei der Arbeit getragen hatte, noch mal zum Laufen hernahm und die Shorts zwei- bis dreimal trug, ehe ich sie wusch. Auch mixte ich mir meine Energydrinks selbst und widerstand der Versuchung, mir einen Pulsmesser zuzulegen. Doch als ich mir endlich lange genug eingeredet hatte, dass diese Art von Sport vielleicht doch als umweltfreundlich durchgehen konnte, war der Tag vor dem Lauf und damit der Zeitpunkt gekommen, meine 10K-Laufutensilien abzuholen. Das Teilnehmerpaket enthielt einen Umschlag mit einer Stoppuhr, ein hässliches T-Shirt, kostenlose Proben von Sonnenschutzmitteln, Müsliriegel und andere aufwendig verpackte Sachen, die ich wirklich nicht brauchte, obendrein steckte alles in einer riesigen Plastiktasche. Ein schlechtes Zeichen. Aber vielleicht würde sich der Lauf selbst ja als nicht ganz so große Umweltsünde entpuppen.
Am nächsten Morgen quälte ich mich 20 Minuten zu spät aus dem Bett, schlüpfte in meine Klamotten, schlang ein paar Haferflocken hinunter, trank Kaffee, rief ein Taxi und fuhr in den Norden Torontos. Unterwegs las ich meine Arbeitskollegen Maryam und Justin auf, die sich ebenfalls für den Lauf angemeldet hatten. Dass ich mir mit ihnen ein Taxi teilte und dabei mein Laufanfänger-Lampenfieber unterdrückte, lag nur daran, dass Maryam sich gerade im Ballettunterricht verletzt und Justins Frühstück aus drei Zigaretten bestanden hatte.
»Ich habe erst heute Morgen von Maryam erfahren, dass du mitläufst«, sagte ich zu Justin, dessen neon-orangefarbene Adidas-Jacke so gar nicht zu seinem
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