Nackt schlafen ist bio
zu kaufen«, sagte er. »Das Ding wog über 50 Kilogramm, und ich habe es tatsächlich den ganzen Weg getragen, an einem Trageriemen, sodass ich es auf dem Rücken transportieren konnte. Und dann haben wir einmal Stühle bei IKEA gekauft – es dauerte anderthalb Jahre, bis wir alle acht beisammenhatten.«
Anderthalb Jahre? Das war alles andere als cool, nein.
Ich erkundigte mich nach Cocktailpartys und anderen Anlässen, bei denen schicke Kleidung gefragt war, insbesondere im Hinblick auf seine Frau. Ich meine, man kann solch kilometerweite Strecken ja schlecht in Pumps und mit engem Rock bewältigen. Und bestimmt gibt es keine Turnschuhe, die in ein Abendtäschchen passen, oder doch? Es kam die befürchtete Antwort.
»Sie nimmt die eleganten Sachen in einem Rucksack mit«, erklärte er, »und zieht sich vor Ort um.«
Dieses autofreie Leben erschien mir immer weniger reizvoll. Doch kurz bevor wir das Gespräch beendeten, sagte Peter noch etwas, was mich das Ganze wiederum in anderem Licht sehen ließ, vor allem weil ich zu diesem Zeitpunkt im Feierabendstau auf der Schnellstraße stand und immerzu nur zwischen Gas- und Bremspedal hin und her wechselte. »Wir sollten uns bewusst machen, dass die erste große Leistung in unserem Leben das Laufenlernen ist. Als Menschen sind wir körperlich dafür geschaffen zu laufen – und nicht dazu, auf ein Gaspedal zu treten.«
Aus irgendeinem Grund ließ dieser Rückgriff auf die Evolution eine Saite in mir anklingen. Peter hatte recht – ich hatte eine Nase zum Atmen, Augen zum Sehen und Füße, die zum Laufen gedacht waren. Ohne Auto zu leben mochte eine Menge Unannehmlichkeiten mit sich bringen, aber nur weil dieser Typ in Calgary von Kopf bis Fuß in Goretex gekleidet herumlief und für ein einziges Mikrowellengerät eine Menge Lauferei in Kauf nahm, musste ich es ihm ja nicht nachmachen. Es ist sehr wohl möglich, in einem Kleid Fahrrad zu fahren, nichts spricht dagegen, mit ein paar Einkaufstüten in die Straßenbahn zu steigen, und selbst wenn ich etwas bei IKEA kaufen sollte, gibt es immer noch die Möglichkeit des Car-Sharing, eines Mietwagens oder Taxis.
Letzten Endes werde ich, wenn ich diesen Schritt wage, mir nicht nur immer wieder in Erinnerung rufen, wie viel Geld ich spare, sondern mir auch sagen, dass ein Leben ohne Auto eine wichtige Voraussetzung dafür ist, meiner biologischen Bestimmung zu folgen. Eins zu null für dich, Darwin.
1. MAI , 62. TAG
Nie wieder Wattestäbchen
Der Mai ist gekommen. Und damit mein Geburtstag. Ich bin heute 28 geworden und habe mich in einem lockeren, eher beiläufigen Blogeintrag, der bewusst nichts mit meinem Alter zu tun hat, dazu entschlossen, keine Wattestäbchen mehr zu benutzen. Dann habe ich in der ungeselligsten Form gefeiert, die man sich vorstellen kann – ich war bei meinen Eltern zum Essen, Emma und Meghan waren auch da. Um die Wahrheit zu sagen, ich hätte es gar nicht anders haben wollen. Andererseits, wenn ich genauer darüber nachdenke, wäre es auch schön gewesen, wenn außer Mom, Dad, Emma und Meghan noch »ein großer, attraktiver Mann mit gutem Wein- und noch besserem Filmgeschmack« dabei gewesen wäre, der auch meinen Eltern – denen allerdings nicht zu sehr – gefallen hätte. Aber auch ohne ihn war es ganz nett.
Zwar hatte ausgerechnet meine Mutter vergessen, wie alt ich wurde (»Alles Gute zum 27. Geburtstag« stand auf der Karte, und sie hatte auch 27 Kerzen in die Torte gesteckt), aber sie hatte zumindest an mein Öko-Jahr gedacht und dafür gesorgt, dass ausschließlich Bioprodukte auf den Tisch kamen. Meghan, die schon in der Schule und dann auf dem College stets nur Bestnoten bekommen hatte, hatte selbstverständlich auch ein Eins-mit-Stern-Geschenk für mich, indem es unsere beiden gegenwärtigen Schwerpunkte im Leben, Gesundheit und Umwelt, berücksichtigte: eine todschicke Tragetasche mit Einweckgläsern voller Tee, gerösteten Nüssen und Kernen, Konfitüren und Hummus, jedes in fuchsiafarbenes, leichtes Leinen eingeschlagen, das einst ein Brautjungfernkleid gewesen war.
Essen und Geschenke waren also mit Sorgfalt und Bedacht zusammengestellt, was mir mein grünes Herz wärmte. Weil es gleichzeitig aber auch aufbegehrte gegen so viel betuliches Zeremoniell, fühlte ich mich irgendwie ein bisschen wie eine Karikatur. Als Kind hatte ich mal einen Schweinetick. Aus heiterem Himmel beschloss ich, dass ich Schweine mochte, und erzählte allen Leuten, warum es meine Lieblingstiere waren.
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